Gold oder Leben !
In der Molekularbiologie verwendet man Glutardialdehyd, um zwei
lose über Nebenvalenzen gebundene Moleküle kovalent zu fixieren.
O=CH-CH2-CH2-CH2-HC=O
Man nennt solche Substanzen wie Glutardialdehyd bifunktionelle
Reagentien, weil sie zwei chemisch aktive Gruppen haben, oder
Cross-Linker (dieser hier ist 5 C-Atome lang).
Aldehyde und Aminogruppen bilden zusammen sogenannte Schiffsche Basen.
R'-NH2 + O=CH-CH2-CH2-CH2-HC=O + H2N-R" =
R'-N=CH-CH2-CH2-CH2-HC=N-R" + 2 H2O
R'-NH2 und R"-NH2 sind irgendwelche benachbarte Makromoleküle
mit -NH2 Gruppen, die zum Beispiel von den Di-Amino-Mono-Carbon-
Säuren der Proteine stammen können.
Das bedeutet, daß eine empfindliche Selbstorganisationsform
nach ihrem Entstehen auf die Dauer durch kovalente Atombindungen
stabilisiert wird.
Stellen wir uns vor, wir wollten kleine goldene Nanomaschinen
an ganz bestimmte Orte auf einer goldenen Oberfläche fixieren.
Keine Sorge, eine wenige Atomlagen dünne Goldschicht ist nicht teuer.
Wir nehmen einen Thiol-Aldehyd, z. B. :
HS-CH2-CH2-HC=O
und tupfen mit einer RTM-Nadel eine Spur davon auf einen Punkt der Goldfläche.
Au + HS-CH2-CH2-HC=O = Au-S-CH2-CH2-HC=O + 1/2 H2
Nach dem Abspülen ist der Punkt mit einer molekularen Bürste bedeckt:
Au-S-CH2-CH2-HC=O
Au-S-CH2-CH2-HC=O
Au-S-CH2-CH2-HC=O
Au-S-CH2-CH2-HC=O
Au-S-CH2-CH2-HC=O
Die goldenen Nanomaschinen tauchen wir in ein Thiol-Amin, z. B. :
H2N-CH2-CH2-CH2-SH
H2N-CH2-CH2-CH2-SH + Au = H2N-CH2-CH2-CH2-S-Au + 1/2 H2
Nach dem Abspülen ist die Nanomaschine auch mit einer molekularen Bürste bedeckt:
H2N-CH2-CH2-CH2-S-Au
H2N-CH2-CH2-CH2-S-Au
H2N-CH2-CH2-CH2-S-Au
Nun bringen wir diese Nanomaschinen auf die Goldfläche auf:
Au-S-CH2-CH2-HC=O
Au-S-CH2-CH2-HC=O + H2N-CH2-CH2-CH2-S-Au
Au-S-CH2-CH2-HC=O + H2N-CH2-CH2-CH2-S-Au
Au-S-CH2-CH2-HC=O + H2N-CH2-CH2-CH2-S-Au
Au-S-CH2-CH2-HC=O
Und schon sind sie über Schiff'sche Basen fixiert:
Au-S-CH2-CH2-HC=O
Au-S-CH2-CH2-HC=N-CH2-CH2-CH2-S-Au
Au-S-CH2-CH2-HC=N-CH2-CH2-CH2-S-Au
Au-S-CH2-CH2-HC=N-CH2-CH2-CH2-S-Au
Au-S-CH2-CH2-HC=O
Die Oberflächenstruktur
Au-S-CH2-CH2-HC=O
Au-S-CH2-CH2-HC=O
Au-S-CH2-CH2-HC=O
ist aber auch in der Lage Proteine über deren -NH2 Gruppen zu binden.
Jetzt kommt noch die da-capo-Einlage:
Schiffsche Basen (Azomethine, Imine) bilden sich in basischer Umgebung:
R'-HC=O + H2N-R" = R'-HC=N-R" + H2O
und sie lösen sich wieder in saurer Umgebung:
R'-HC=N-R" + H2O = R'-HC=O + H2N-R"
Das bedeutet, man kann die Ankopplung nach Belieben ein- und
aus-schalten, ohne daß die Moleküle schaden nehmen.
Oberflächenchemie mit anderen Methoden:
Glas ist wasserfreundlich (hydrophil) weil es Si-OH Gruppen an der Oberfläche hat.
Das kann man leicht ändern, man nimmt Trimethylchlorsilan:
Si-OH + ClSi(CH3)3 = Si-O-Si(CH3)3 + HCl
und schon ist es wasserabstoßend (hydrophob).
Haftschalen aus Silconkautschuk sind wasserabstoßend,
weil sie Si-CH3 Gruppen an der Oberfläche haben.
Wenn man sie im verdünntem Sauerstoff mit elektrisch erzeugten
Sauerstoffionen bombardiert, dann besteht ihre Oberfläche aus
Si-CH2OH, Si-HC=O, Si-COOH, oder Si-OH Gruppen,
was sie tränenliebend macht.
Nicht alle lebenden Zellen fixieren sich freiwillig auf einer
Polystyroloberfläche, in einer Zellkulturschale.
Eine Beschichtung mit Poly-l-Lysin verbessert ihre Haftung deutlich.
Poly-l-Lysin besteht aus vielen l-Lysin-Molekülen, und haftet
an dem hydrophoben Polystyrol weil es selbst 4 hydrophobe
-CH2- Gruppen pro l-Lysin hat.
Außerdem ist es eine Di-Amino-Mono-Carbon-Säure, die also eine
-NH2 Gruppe pro l-Lysin zu viel hat.
Falls die lebenden Zellen aber dennoch nicht anhaften wollen,
dann fixiert man sie mit Glutardialdehyd als bifunktionellem
Reagens, welches die -NH2 Gruppen der Zellproteine mit denen
des Poly-l-Lysins verbindet (siehe Schiffsche Basen).
Allerdings sind die Zellen nach dieser Tortur totgegerbt.
Wenn man das vermeiden will, dann verwendet man eine Gold-
Oberfläche, die man mit einem Thiol behandelt hat, das
eine Protein-bindende Kohlenwasserstoffkette trägt.
An diese bindet man Laminin, einen Hauptbestandteil der
Extrazellulärmatrix, in der die Zellen im Körper eingebettet sind.
Aus einer Suspension von lebenden Zellen werden nun die
Zellen als eine einzige Zellschicht an das Laminin gebunden,
welches an die Protein-bindenden Kohlenwasserstoffketten
gebunden ist.
Das ist daher so schonend, wie es auch im Körper ist.
Wenn man nur sehr kleine Flächen mit dem Thiol das eine
Protein-bindende Kohlenwasserstoffkette trägt mit der
Raster-Tunnel-Mikroskop-Spitze betupft, und dann danach
die freien Gold-Flächen mit einem Thiol absättigt, das eine
Protein-nicht-bindende Kohlenwasserstoffkette trägt, dann
kann man einzelne Zellen genau an den gewünschten Ort setzen.
Rein theoretisch wäre es möglich, dass auch Nanopartikel aus
Gold eine hohe Immunogenität haben können. Das würde bewirken,
dass der Mensch auf jene Nanomaschinen allergisch reagiert,
die gerade sein Leben retten sollen.
Hier ist eine denkbare Methode beschrieben, die dieses Problem lösen könnte:
1.) Man überzieht die Nanomaschinen entweder durch Aufdampfen
im Hochvakuum oder durch elektrolytische Abscheidung mit einer
nur wenige Atomlagen dicken Goldschicht (Au).
2.) Man lässt diese Goldschicht mit einem Thiol(-SH)-Aldehyd(-CH=O)
reagieren. Au und H-S-(CH2)n-CH=O gibt sofort Au-S-(CH2)n-CH=O,
also eine Molekularbürste aus Aldehydmolekülen auf der Goldoberfläche.
3.) Man gewinnt autologe (vom Patienten selbst stammende)
Erythrocyten (rote Blutkörperchen, gibt es in großer Menge,
sie enthalten keinen Zellkern oder andere Organellen) und
wäscht sie mit PBS (isotonischer, neutraler Phosphatpuffer
mit Kochsalz) durch Suspendieren und Zentrifugieren.
4.) Man tauscht mit Hilfe von zwei Nanokapillaren das
Cytoplasma der Erythrocyten restlos gegen PBS aus, so
dass kein Protein zurück bleibt.
5.) Man öffnet einen Mikroschlitz in der Zellmembran der
Erythrocyten, gibt die Nanomaschine in den Erythrocyten
hinein und verschließt den Mikroschlitz hinter der Nanomaschine
wieder (das geht fast von selbst, wie bei einem Reissverschluss,
weil die Lipid-doppel-Membran in ihrem Zwischenraum hydrophob ist).
6.) Man saugt mit Hilfe einer Nanokapillare fast alles PBS zwischen
der Erythrocyten-Membran und der Nanomaschinen-Oberfläche heraus.
7.) Nun reagieren die Aminogruppen der inneren Teile der
Membranproteine mit den auf dem Gold fixierten Aldehydgruppen
zu Schiffschen Basen. Au-S-(CH2)n-CH=O und H2N-Membranprotein
gibt sofort Au-S-(CH2)n-CH=N-Membranprotein. Die Membranproteine
selbst sind durch ihre hydrophil-hydrophob-hydrophil-Struktur
in der Lipid-Doppelmembran verankert.
Auch der Malaria-Erreger versteckt sich in den Erythrocyten.
Wie man an diesen Beispielen sieht, kann man praktisch jede
Art von Oberfläche mit praktisch jeder Art von funktionellen
Gruppen ausstatten.
Dem fröhlichen Ankoppeln sind also keine Grenzen gesetzt.
Das schöne Bild im unteren Drittel von
http://www.vi-anec.d.../HW07-home.htmlstammt vermutlich von Chad A. Mirkin, während die
Grund-Idee vermutlich von George M. Whitesides stammt.
Als aktives Molekül verwendet Chad A. Mirkin
16-Mercaptohexadecansäure HOOC-(CH2)15-SH, und
als passives Molekül verwendet er
1-Octadecanthiol CH3-(CH2)17-SH, um
funktionale elektronische Strukturen zu erzeugen.
Zur elektrischen Mobilität von Nanomaschinen.
Diese Spiele mit sauer und basisch kann man natürlich
nur ausserhalb des Körpers machen, denn lebende Zellen
benötigen einen stabilen pH-Wert bei rund 7.3.
Nehmen wir an, wir hätten eine nicht-leitende Unterlage
(Substrat, die Techniker meinen mit Substrat etwas
anderes als die Biologen) aus Siliziumdioxid SiO2.
Darauf bringen wir zwei voneinander elektrisch isolierte
dünne Goldflächen auf, zum Beispiel durch Aufdampfen und
nachfolgendem Ätzen.
Beide Goldflächen werden mit Thiol-Aldehyd-Bürsten versehen:
Au-S-CH2-CH2-HC=O
Eine Goldfläche darf auch Nanomaschinen über Schiffsche Basen binden:
Au-S-CH2-CH2-HC=N-CH2-CH2-CH2-S-Au
Das spielt sich in pH-neutralem Natriumphosphatpuffer ab:
40mM NaH2PO4 + 60mM Na2HPO4 pH=7
Nun legen wir an die Goldfläche mit den Nanomaschinen eine
positive Gleichpannung von etwa zwei Volt an, und der negative
Gegenpol soll die andere Goldfläche sein.
Am positiven Pol sinkt der pH-Wert, weil dort Säure entsteht:
2 H2PO4- + H2O = 2 H3PO4 + 1/2 O2 + 2 e-
Am negativen Pol steigt der pH-Wert, weil dort Lauge entsteht:
2 Na+ + 2 H2O + 2 e- = 2 NaOH + H2
(beim Di-Hydrogen-Phosphat-Anion H2PO4- schreibt man die
Zahlen tiefergestellt, und das Minuszeichen höhergestellt,
aber das geht hier leider nicht)
Durch den sauren pH-Wert am positiven Pol
werden die Schiffschen Basen gespalten:
Au-S-CH2-CH2-HC=N-CH2-CH2-CH2-S-Au + H2O =
Au-S-CH2-CH2-HC=O + H2N-CH2-CH2-CH2-S-Au
Außerdem werden die Aminogruppen protonisiert:
H+ + H2N-CH2-CH2-CH2-S-Au =
+H3N-CH2-CH2-CH2-S-Au
Dadurch werden die Amino-Thiol-Nanomaschinen elektrisch
mehrfach positiv geladen, und wandern von der sauren
positiven Elektrode nach dem Abkoppeln an die basische
negative Elektrode (Elektrophorese), wo sie ihre positive
Ladung abgeben, und bereitwillig über die Schiffschen Basen ankoppeln:
OH- + +H3N-CH2-CH2-CH2-S-Au =
H2O + H2N-CH2-CH2-CH2-S-Au
und:
Au-S-CH2-CH2-HC=O + H2N-CH2-CH2-CH2-S-Au =
Au-S-CH2-CH2-HC=N-CH2-CH2-CH2-S-Au + H2O
Falls sich einge Nanomaschinen verirren sollten, oder man
am Anfang des Versuches eine regellose Suspension von
Nanomaschinen verwendet, dann werden diese Nanomaschinen
solange von der Brownschen Molekularbewegung hin- und
her- geschoben, bis sie an eine negative und basische
Thiol-Aldehyd-Bürste ankoppeln können.
Probleme mit H2 und O2 Gasblasen kann man durch die
Erhöhung des Systemdruckes verringern, und durch das
Einbringen eines Platinkatalysators ganz ausschalten:
H2 + 1/2 O2 = H2O
Wenn man mehrere Elektroden aus Gold-Thiol-Aldehyd-Bürsten
verwenden will, dann werden alle positiven Elektroden frei
von Nanomaschinen sein, und alle negativen Elektroden
werden mit Nanomaschinen belegt werden.
Falls die Thiol-Aldehyd-Bürsten-Flächen kleiner sind als
der Durchmesser einer Nanomaschine, dann sitzt immer genau
eine Nanomaschine exakt am gewünschten Ort.
Diese kleinen Thiol-Aldehyd-Bürsten-Flächen kann man durch
das Aufbringen des Thiol-Aldehyds mit einer RTM-Nadel erzeugen.
Um die freigelassenen Goldflächen vor Nebenreaktionen zu
schützen, können sie mit Thiolen hydrophob blockiert werden:
Au-S-CH2-CH2-CH3
oder mit Thiol-Alkoholen hydrophil blockiert werden:
Au-S-CH2-CH2-CH2-OH
Diese Reagentien können nur jene Goldflächen belegen,
welche nicht schon vorher mit Thiol-Aldehyd belegt wurden:
Au-S-CH2-CH2-HC=O
Es genügt also ein einfaches Eintauchen in das Reagens,
und nachheriges Abspülen mit Pufferlösung.
Die Verwendung einer wässrigen Umgebung während des
gesamten Versuches, eliminiert auch alle störenden
Adhäsionskräfte, welche in Luft unweigerlich auftreten.
Ebenso werden auch Reibung und Gewicht stark verringert.
Weil die Affinität von Thiolen zu Gold sehr hoch ist,
sind sie sogar in der Lage etwaige Verunreinigungen
selbstständig zu verdrängen.
Ich habe alle Verbindungen mit drei Kohlenstoffatomen dargestellt.
Selbstverständlich kann man auch noch mehr -CH2- Gruppen einfügen,
um längere, und elastischere Molekülketten zu erzeugen.
(Aber hier sind die Zeilen so kurz.)
Die chemische Codierung von Ort und Orientierung:
Wenn man eine Goldoberfläche mit einer Mischung von einem
Prozent Thiol-Aldehyd und 99 Prozent Thiol-Alkohol beschichtet,
dann befindet sich statistisch verteilt auf einer Fläche
von 10 mal 10 Molekülen nur ein Thiol-Aldehyd-Molekül.
Wenn man nun freies, gelöstes Thiol-Amin anbietet, dann
wird es genau dort wo Thiol-Aldehyd-Moleküle sitzen, über
Schiffsche Basen gebunden.
Nun wird eine Nanomaschinen-Haftfläche (etwa 100 mal 100
Moleküldurchmesser groß) aus reinem Gold auf den gewünschten
Ort, und in der gewünschten Orientierung aufgedrückt.
Das als Schiffsche Base gebundene Thiol-Amin bindet nun das
Gold der Nanomaschinen-Haftfläche über die Thiol-Gruppen.
Dann werden die Schiffschen Basen durch sauren pH-Wert
gespalten, und die Nanomaschinen-Haftfläche mitsamt ihren
gebundenen Thiol-Amin-Gruppen abgelöst.
Die freigebliebene Goldoberfläche der Nanomaschinen-
Haftfläche wird mit Thiol-Alkohol abgesättigt (der Thiol-
Alkohol sollte aus sterischen Gründen um eine -CH2- Gruppe
kürzer sein, als das Thiol-Amin).
Die Nanomaschinen-Haftfläche ist nun ein exaktes chemisches
Negativ des für sie einzigen geeigneten Zielgebietes,
und sollte ungefähr 100 zufällig verteilte Amino-Gruppen
besitzen, welche den Zielort codieren (zusammen mit 9900
inerten Alkohol-Gruppen).
Nun stellen wir den pH-Wert auf schwach sauer, so daß die
Schiffschen Basen sich unablässig bilden und wieder auflösen.
Die Brownsche Molekularbewegung wird die Nanomaschinen-
Haftfläche so lange hin und her schieben und verdrehen, bis
sie im einzigen für sie geeigneten Zielgebiet andocken kann.
Dabei ist immer nur ein sich ständig ändernder Teil der
Schiffschen Basen angekoppelt, aber dieser Teil reicht
für eine vorläufige Fixierung aus (der sogenannte
Reißverschluß-Effekt, später kann man den pH-Wert wieder
erhöhen, und die Bindung verstärken).
Alternativ zu der billigen Erzeugung eines zufälligen
Aldehyd-Musters, kann man das Thiol-Aldehyd auf die
Goldunterlage, und auf die Nanomaschinen-Haftfläche
spiegelbildlich dazu, das Thiol-Amin mit einer RTM-Nadel
aufbringen.
Soche Arten von chemischer, topologischer Codierung kommen
in der Natur bei Enzymen, Antikörpern, und den Nukleinsäuren vor.
Sebstverständlich ist das oben beschriebene Verfahren auch
zur Informationsspeicherung und Informationsverarbeitung,
und für selbstreplizierende Strukturen geeignet
(Schlüssel und Schloß, positive und negative Gußform).