@ Dystopya:
Das Einnehmen von Supplements bzw. Nahrungsergänzungsmitteln scheint mir auch nicht besonders transhumanistisch zu sein sondern entspricht mehr ganz konventioneller Anti-Aging-Medizin, wie sie in der ein oder anderen Form schon von Hunderttausenden, wenn nicht Millionen praktiziert wird. Transhumanisten sind dagegen eher an sehr viel radikaleren Eingriffen in den menschlichen Körper interessiert bzw. eben an einer fundamentalen „Trans"zendierung der körperlichen und geistigen Grundausstattung des Menschen überhaupt, wie man z.B. an den Texten, Diskussionen und Stellungnahmen auf der Seite von
DE:TRANS oder auf entsprechenden englischen Internetseiten verfolgen kann. (Warum man die oben von mixter verlinkte Mailingliste von De:Trans nirgendwo auf deren Website findet, frage ich mich dabei allerdings schon seit längerem.)
Sich auf dem Anti-Aging-Sektor ausgerechnet an den Empfehlungen von Ray Kurzweil zu orientieren, finde ich dabei fast schon ein wenig paradox, jedenfalls wenn man - anscheinend - ein paar Jahrzehnte jünger ist als der US-amerikanische Computervisionär. Kurzweil ist Jahrgang 1948 und hat vor einigen Jahren eingesehen, daß es selbst mit dem Eintreffen seiner extrem positiven Zukunftsprognosen für ihn und die Angehörigen seiner Generation noch knapp werden dürfte, wenn sie von den postulierten Durchbrüchen in Medizin und Nanotechnologie tatsächlich noch profitieren wollen, insbesondere wenn man hinzunimmt, daß die GESUNDE Lebenserwartung noch ein ganzes Stück kürzer ist als die individuelle Lebenserwartung überhaupt! Daher „live long ENOUGH, to live forever" und daher sein zugespitztes aber eben ganz konventionelles Anti-Aging-Regime als erste von drei „Brücken" zur körperlichen Unsterblichkeit.
Sollte man allerdings seinen ganzen Grundansatz von der immer weiteren exponentiellen Zunahme der Rechnerleistung samt abgeleiteter medizinischer Innovationsdynamik nur bedingt für plausibel halten, dann ist es wahrscheinlich besser, sich auch auf dem Anti-Aging-Sektor gleich an herkömmlicheren Quellen zu orientieren, z.B. an „Forever Young"-Autor Dr. Ulrich Strunz oder den Büchern von Dr. Michael Klentze oder Prof. Bamberger, dem „Handbuch Anti-Aging und Prävention" von Dr. Rüdiger Schmitt/Simone Homm u.ä. mehr.
Ich persönlich finde den Begriff Nahrungs"ergänzung" - im Unterschied zu „Supplements" - dabei übrigens ziemlich erhellend, weil einem schon das Wort eine bestimmte logisch-praktische Reihenfolge und Prioritätensetzung vermittelt: es geht eben nur um Ergänzungen zur Nahrung, die eine optimierende Funktion entfalten sollen - sie können aber eine gesunde Ernährung nicht ersetzen! Die Einnahme der verschiedenen Hilfsmittel macht daher für mich genau in dem Maße Sinn, wie man nicht nur „auf die Ernährung achtet" sondern alltäglich, konkret und praktisch sich um gesunde Ernährung bemüht und seine unter Umständen jahrzehnetelangen schlechten Gewohnheiten tatsächlich umstellt. Das ist schon schwierig und teils kostspielig genug, birgt aber auch ein großes Potential, während die bloße künstliche Ergänzung von minderwertigem junk food o.ä. die völlig falsche Herangehensweise wäre und bestenfalls die negativen Folgen chronischer Fehlernährung ein wenig mindern könnte. Steht aber letztlich schon auf jeder Vitaminpackung...
Die Ernährung ist dabei sowieso nur ein wenn auch wichtiges Feld zur Gesundheitsprävention (und hat auch nicht nur Gesundheitsaspekte), die wiederum eine zentrale Voraussetzung für die individuelle Langlebigkeit darstellt. Eine grobe Übersicht zu allen - oder sagen wir besser: den meisten - relevanten Einflussgrössen und ihrer ungefähren Gewichtung bieten solche Tests zur individuellen Lebenserwartung, wie sie in vielen Anti-Aging-Büchern abgedruckt sind oder hier auf einer Unterseite des FOCUS-Magazins:
Wie alt sind Sie wirklich?Die Ergebnisse und einzelnen Faktoren basieren einerseits auf großen epidemiologischen Studien, liefern aber nur ganz allgemeine statistische Richtwerte, die jeder noch mal an seine eigenen persönlichen Voraussetzungen und Lebensumstände anpassen muß. Und das alles steht natürlich im Kontext des konservativen medizinischen Mainstreams: "to live forever" ist selbst durch die optimale Berücksichtigung all dieser Faktoren nicht vorgesehen... (Gestern las ich hierzu im neuen SPIEGEL noch eine Kurznotiz über zwei neue britische Studien zum Einfluß der verschiedenen Lebensstilfaktoren auf die Lebenserwartung. Danach hat materieller Wohlstand den größten Einfluß, der bis zu 20 Jahre(!) länger leben lässt, während selbst das Aufgeben des Rauchens gerade mal die Hälfte bringt etc. Was an diesem nicht ganz neuen Faktum auch alles an politischem Sprengstoff steckt, wird normalerweise völlig ausgeblendet.)
Thema Budget: In einem älteren Nachbarstrang wies ich vor ein paar Monaten schon einmal auf das Buch von Prof. Bamberger: „Besser leben - länger leben: 10 gesunde Jahre mehr sind machbar" hin, das zwar für „true life-extensionists" nicht besonders inspirierend ist, aber jede Menge interessanter Informationen und Hinweise enthält, so auch einen dreistufigen sogenannten „Präventionsnavigator" über verschiedene medizinische Interventionsmöglichkeiten und ihre Kosten. Stufe 1 wird dabei von den kostenlosen Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen (in Deutschland) abgedeckt. (Aber Achtung: bei der 1. Auflage der preiswerten Taschenbuchausgabe von März 2008 ist verlagstechnisch ein Fehler passiert, so daß einige Passagen fehlen und andere doppelt abgedruckt wurden, was auch diesen Präventionsnavigator betrifft! Daher greife man besser zur gebundenen Ausgabe oder warte bis zu einer eventuellen 2. Auflage.) Inwiefern allerdings das Preis-/Leistungsverhältnis für Stufe 2 und Stufe 3 stimmen, muß jeder selbst entscheiden, man lese die
Einwände eines Leser-Kommentators auf den Seiten des Buchversenders amazon dazu („Peter Rose").
Thema „überhöhte Preise": Wie überall im Leben ist es natürlich immer billiger, wenn man irgendetwas selber herstellen oder direkt vom Hersteller/Großhändler (vor allem in größeren Mengen) beziehen kann, ob man seine Computerplatinen selbst zusammenschraubt oder auch Nahrungsmittel direkt vom Bauern bekommt usw. Das kostet dann zwar weniger Geld - braucht aber mehr Wissen und Information, mehr Aufwand oder Liquidität und vor allem mehr Zeit. Und wer hat die schon (immer) bzw. kann in der gleichen Zeit nichts produktiveres anfangen...
PS: Habe eben noch auf der deutschen Wikipedia-Seite zu Ray Kurzweil ein lesenswertes FAZ-Interview von Februar diesen Jahres gefunden, das mir bei meiner News-Arbeit leider entgangen ist:
Werden wir ewig leben, Mister Kurzweil?