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Was kostet uns Unsterblichkeit?


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49 replies to this topic

#31 Guest_aidanpryde_*

  • Lurker
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Posted 27 April 2009 - 12:29 PM

Tut mir leid, aber für solch eine völlig projektive Herangehensweise habe ich kein Verständnis. Schon gar nicht für den Stil der Auseinandersetzung: "Fluch" - "abscheuliches Monstrum" - "fucking commons sense" - "sadistische Sekte" - "Narren" - "bösartiger Tumor" - "Verbrechen gegen die Menschheit" - "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme" - "seelische Folter" - "purer Schwachsinn" - "psychische Folter" - "Vergewaltigung von Kinderhirnen" - "Proreligion Dummies" - "Arschleckerei" - "fuck" usw.


Ich antworte nur auf einen Teil des Textes, wobei ich nicht gegen alles bin bzw. die Diskussion doch interessant finde.
Als erstes muss ich klar stellen, dass ich meine Meinung hier nicht aufgrund des anonymen Mantels des Internets kund tue, sondern auch in der realen Welt diese Meinung vertrete. Du bist anscheinend dagegen die grausame Vergangenheit der Kirche oder anderer Religionen zu erwähnen, weil das ja hinter uns liegt. Dies ist meiner Meinung nach ein Irrtum, die Kirche begeht derzeit keine Verberchen gegen die Menschlichkeit, nur weil sie es nicht kann, nicht weil sie sich in ihrem Kern tatsächlich verändert hat. Ironischerweise werden diese Verbrechen ignoriert, vertuscht und von dir in die Vergangenheit verschoben, in einem Land in dem der Holocaust den PW und Geschichtsunterricht regelrecht ausfüllt. Welche Ironie. Die Kirche muss sich für nichts verantworten. Somit stimmen folgende Dinge doch:

- "sadistische Sekte" Folter, Gottesurteil, Hexenverbrennung.

- "bösartiger Tumor" Bezogen auf Verstand, Vernunft, Forschung und Bildung, insgesamt den Fortschritt der Meinschheit ganz klar, man hat hier erst vor kurzem zugegeben im Irrtum gewesen zu sein in Bezug auf einige Wissenschaftler und dem Verhalten ihnen gegenüber. Ich mag keine tausend Jahre warten bis ein Mönch/Priester einfache Aspekte der Naturwissenschaften begreift oder eher akzeptiert. Nach dem Motto:"Ok nach 100 Jahren akzeptiere ich einen Teil der Wirklichkeit."

- "Narren" Siehe oben.

- "seelische Folter, Vergewaltigung von Kinderhirnen"
Hallo liebe kleine Kinder, schön dass ihr euch so zahlreich versammelt habt. Heute möchte ich euch erzählen, wie ihr in der Hölle Qualen erleiden werdet, wenn ihr gewisse Dinge tut. Das was man euch im Biologieunterricht verzapft ist Schwachsinn und der Rest der Naturwissenschaften auch, die richtige Antwort ist: Gott war es! Also um es kurz zu halten, ihr dürft keinen eigenen Charakter ausbilden, sondern ihr solltet alles beachten was in diesem veralteten Buch steht um in den Himmel zu kommen. Aber das gute daran ist, wenn ihr in die Hölle kommen möchtet musst ihr einfach nur ihr selbst sein.

- "Proreligion Dummies"
In einem Land, insbesondere in einem Bundesland wie Berlin, in dem ich selbst aufgewachsen bin und studiere, in dem die Bildung unter den knappen Kassen zu leiden hat und die Kinder immer schlechter in der Schule werden, sollen wir ihnen noch die Ohren mit Märchen a la Religion füllen? Ihnen einfach das Gefühl geben es gäbe ein Leben danach, dieses hier sei nichts wert verglichen damit? Dummies.

Falls du also denkst es wäre in Ordnung sich in dieser Richtung dem eventuell religiösen Mitlesenden gegenüber zu verstellen um Ziele der Immortalitätsbewegung zu erreichen, so kann ich das nur teilweise nachvollziehen. Ausserdem bin ich der Meinung, dass die Immortalitätsgedanken seitens Religion und der seitens Menschen wie Kismet und meiner Wenigkeit, die in der Medizin und Biotechnologie eine Art "Heiland" sehen, keineswegs miteinander zu vereinbaren sind. Die Religion beruht auf imaginären Dingen, auf Lügen und Aberglaube, man ist hier der Meinung man müsse sich Dinge einfach herbeiwünschen, Wissen erlangen ist nicht notwendig man kann sich mit der Unwissenheit zufrieden stellen. Ja schon eine Spur von Religion reicht aus um dem schwach gläubigen Menschen das immer währende Gefühl zu vermitteln, "es gäbe doch etwas danach". Dies sorgt für eine falsche Sicherheit, es ist ein Beruhigungsmittel, Morphium gegen die Angst vor der Nichtexistenz, es regt zum Ausruhen an, nicht zur Forschung und Arbeit. Dies ist uns und unseren Zielen abträglich. Du möchtest die Religion und ihre Anhänger einbinden, doch wenn ich ehrlich bin sehe ich darin nur einen Wurm, den man in einen noch gesunden Apfel packt.

#32 kismet

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Posted 27 April 2009 - 06:01 PM

Ich gehe für's Erste nur auf deinen letzten Post ein um das etwas abzuschließen... hatte lange nicht wirklich Zeit überhaupt mitzulesen.
Es folgen einige Quotes:

Du bist anscheinend dagegen die grausame Vergangenheit der Kirche oder anderer Religionen zu erwähnen, weil das ja hinter uns liegt.

Ich glaube Lothar mag einfach keine Zyniker...

@ Kismet: Könntest du vielleicht den Thread-topic-Titel korrigieren und das T durch ein Z ersetzen?)

Hätte ich schon länger gemacht wenn ich den Titel editieren könnte. Ich schreib mal wen an der's vllt ändern kann...

Ich habe durch Kismets irreführende weil falsch polarisierende Eingangsbemerkungen selbst ein paar Tage gebraucht, um zu realisieren, was hier in Wirklichkeit passiert ist, nämlich das Setzen eines absoluten Meilensteins in der intellektuellen Diskussion, der die Entwicklung des modernen Immortalismus auf Jahre hinaus prägen wird. 

Ich kann nicht's dafür.  :p Der Artikel ist so negativ verfasst, ich wüsste nicht wie man (ohne Nachforschungen) daraus ableiten kann, es handele sich um einen relevanten oder positiven Text.

Was macht Kismet dagegen: er liest irgendwo das Wort Bioethik, bekommt einen Anfall und schreibt in der Folge drauf los, was er immer schon mal gegen Bioethik und Religion los werden wollte, ohne weder den FAZ-Artikel noch das Buch weiter zu berücksichtigen.

Was daran liegen mag, dass ich in der Prüfungsvorbereitung war und der Artikel verletztend genug verfasst fand, dass ich mich entschließ ihn zu posten und zu schauen was andere zu sagen haben...
Ein Anfall; eher ein Tropfen in den großen weiten Ozean. Du scheinst ein ruhiges, friedliches Gemüt zu haben. Hoffentlich musst du nie einen Sturm erleben.

Tut mir leid, aber für solch eine völlig projektive Herangehensweise habe ich kein Verständnis. Schon gar nicht für den Stil der Auseinandersetzung: "Fluch" - "abscheuliches Monstrum" - "fucking commons sense" - "sadistische Sekte" - "Narren" - "bösartiger Tumor" - "Verbrechen gegen die Menschheit" - "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme" - "seelische Folter" - "purer Schwachsinn" - "psychische Folter" - "Vergewaltigung von Kinderhirnen" - "Proreligion Dummies" - "Arschleckerei" - "fuck" usw.

Ich habe keine Verständnis dafür, dass du die Wahrheit unbedingt schönreden willst (Anm: zumindest nicht beim ersten Lesen des Posts; wieso du Religion gutheißt wird in dem Post zumindest später ersichtlich). Oder liegt das Problem, daran, dass ich die Wahrheit zu bildlich ausdrücke? Du weißt was die drastischen Bilder darstellen; zeig mir erstmal, dass die Bilder unberechtigt sind.

Was stört dich an Wörtern wie Arschleckerei und 'fucking common sense'...  :p hast du vielleicht Angst vor etwas rauherer Alltagssprache wie sie in normalen Gesprächen auch verwendet wird?  Ich fand die Ausdrucksweise war noch vergleichsweise mild.

Mit diesen Haltungen, die ihr euch letztlich auch nur unter dem Schutzmantel einer völligen Anonymität leisten könnt, habt ihr in allen relevanten Debatten schon verloren, bevor sie überhaupt richtig angefangen haben, denn solche Gesprächspartner werden in Zusammenhängen, wo es um Analyse, Austausch von Argumenten und echte Kritik geht - und nicht um Beschimpfungen - gar nicht ernstgenommen.

Du beliebst zu scherzen. Diese lächerlichen FAZ-Argumente könnte ich in einer sachlichen Debatte jeder Zeit auseinandernehmen (selbst mit >2 Promille im Blut) - wenn nötig - aber es schmerzt zu sehr das tausend mal gesagte ein weiteres tausend mal zu wiederholen. Also tue ich mir das sicher nicht unnötig an.

Wir sind hier auch keineswegs „unter uns". Das ist ein öffentliches Forum und alles ist nur einen Klick weit oder eine Suchmaschinenindexierung weit entfernt.

Wo du natürlich zum Teil Recht hast! So gesehen hätte ich in der Tat pragmatischer handeln müssen und dürfte gar nicht meine wahre (relativ berechtigte und) radikale Meinung dazu posten. Obwohl man als Gegenargument anführen könnte, dass die meisten die auf diese Forum stoßen und hier länger verweilen durchaus "zu uns" gehören.

Es ist vor allem auch verrückt, daß ein Anlaß, der Grund zum FEIERN sein müsste - und zwar unabhängig davon, ob die kritischen Urteile in dem Buch letztendlich überwiegen oder nicht - Stichwortgeber für ein solches Generallamento über "Gott und die Welt" abgeben muß, denn mit diesem Buch ist das Langlebigkeitsthema im Zentrum der intellektuellen Debatten (im deutschsprachigen Raum) angekommen! Was muß denn NOCH passieren, damit ihr euch auch einmal freuen könnt, anstatt diese Art aggressiver Miesepetrigkeit auf den Weg zu bringen? Die Unsterblichkeitspille bei Aldi, Zehnerpack für 1,99??

Ich habe gefeiert im Eingangspost (ich dachte das sei leicht rauszulesen; naja wahrscheinlich doch nicht!) Allem Anschein nach weißt du nicht wie ein junger alter Zyniker wie ich feiert...
Außerdem um es mal bildlich (aber etwas weniger vulgär) auszudrücken: Das ist so als würdest du auf den ersten 2 Kilometern eines Marathons feiern. Natürlich bist du einer der besten Läufer und irgendjemand muss den Marathon ja gewinnen, aber viele würden meinen es ist zu früh zum Feiern...

...
Die atheistische Moderne hat diese Antworten zurückgewiesen, aber sie hat keine eigenen Antworten auf den Tod formuliert, und DAS ist letztlich auch der tiefere Grund für ihre aggressive Rhetorik in Sachen Religionskritik, als einfache Wiederkehr des Verdrängten. (Die psychoexistentiellen Zwischenglieder spar ich mir hier). Knüpft man daher formal an Rhetorik, Stil und Habitus der konventionellen Religionskritik an, bewegt man sich gewissermassen immer schon auf dem Gelände von Todesanhängern, humanistische Begründungen und Auftreten hin oder her, und nicht umsonst gibt es etwas in der Welt, das sich "Trans-Humanismus" nennt.

Gut ausgedrückt. So weit kann ich großteils zustimmen.

Und daher ist der Stil der Debatte auch ein Anzeichen dafür, ob die vorgetragene Religionskritik bloß im Dienste konventioneller Weltanschauungen steht, oder ob sie tatsächlich schon in das Projekt um eine moderne Neubegründung der Unsterblichkeitsidee hineinreicht.

Da liegt vielleicht eines der Probleme. Für mich ist ein Forum ein Forum (lat. Marktplatz). Hat natürlich alles seinen Sinn und Zweck im Großen und Ganzen, aber man kommt immer mal vom Thema ab und redet über zusammenhangslose Dinge auf eine Art und Weise die mit dem Forum nichts zu tun hat. Nicht immer geht es um eine direkte Botschaft (auch wenn es in dem Fall natürlich umso mehr angebrachter wäre eine positive oder zumindest wirksame Botschaft zu verkünden). So sieht die moderne doch eher aus: ein wenig Offtopic, rants every now and then, das Forum als Zeitvertreib.  :p
Ich gestehe off-topic und Postings sind in letzter Zeit eine Sucht für mich geworden (wie man schwer übersehen kann), aber wenn nötig kann ich auf notwendige Art und Weise das Notwendige tun (wie auch schwer zu übersehen im eng. Forumsteil.. naja, manchmal) wenn du verstehst.

Edited by kismet, 27 April 2009 - 06:12 PM.


#33 kismet

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Posted 27 April 2009 - 06:03 PM

...
Wer sich NUR auf diese Schattenseiten focussiert, geht letztlich der Todesverdrängung des atheistischen Mainstreams auf den Leim, bekommt nicht das ganze Bild und zeichnet ein Zerrbild des religiösen Phänomens und der existentiellen Lage der menschlichen Gattung seit ihren frühesten Anfängen.

Aber das dürfte nicht so schlimm sein. Jeder der sich einen Schritt von der Religion weg zum "atheistischen Mainstream" bewegt ist doch einen Schritt näher daran die Causa 'life extension' und 'Transhumanismus' zu verstehen, zumindest sehen ich das so. Den atheistischen Mainstream kann man zumindest leichter (oder überhaupt) mit rationalen Argumenten bearbeiten und überzeugen.
Natürlich hast du Recht, dass man an Religionskritik - wenn möglich - auch pro-life extension argumente knüpfen sollte.

(halbwegs) sinngerecht gekürzt:

Gebt euch keinen Illussionen hin: Dawkins [et al. meinen] der einzelne Körper dient ... bloß als höchst vergängliche "survival machine"....

Das mag stimmen, aber müsste es nicht viel leichter sein ihre feindliche und beinahe irrationale Einstellung gegenüber dem 'immortality meme' zu ändern? Zumindest leichter als bei Gläubigen die meinen das ewige Leben irgendwo in einer Paralleldimension bereits sicher zu haben.

...Vor allem treten rationalistisch-säkulare Wissenschaftler und radikale Atheisten auch als schärfste Kritiker der modernen Unsterblichkeitsphilosophie auf. Schon von daher verbietet sich eine undifferenziert positive Bezugnahme auf den wissenschaftlichen Mainstream, wie man insbesondere und immer wieder aufs neue im Kontext der Biogerontologie studieren kann. ("Den Jahren mehr Leben geben, aber nicht dem Leben mehr Jahre!" als Leitmotto dieser Haltung.)

Ich hatte nicht vor mich undifferenziert positiv auf den Mainstream zu beziehen; ich habe den Mainstream (und die reaktionäre Einstellung der meisten Menschen) in meinem ersten Post zur Kritik von Bioethik per se bereits kritisiert. Meine Hoffnung ist, dass man Atheisten einfacher überzeugen kann.

...Wenn ich hier bestimmte institutionalisierte Begründungsverfahren verteidige, dann in erster Linie, weil es mir um eine sachlich angemessene und differenzierte Diskussion geht und nicht um den Austausch von emotionalisierten Vorurteilen.

Ich weiß, dass du es allem Anschein nach als 'Projektion' und 'Vorurteile' siehst, aber dies ist nun mal meine Meinung gegenüber organisierter Religion bildlich ausgedrückt. Dass manche Religionsanhänger potentiell aufnahmebereiter sind für 'den Meme' macht Religion nicht weniger destruktiv gegenüber der (sekulären aber nicht immortalistischen) Wissenschaft auf der sich aber der 'immortality meme' stützt - damit ist Religion zumindest indirekt ein "Feind".

Im Sinne einer sachlichen Diskussion und angesichts des intellektuellen Stellenwerts des Suhrkampbandes kann also ich nur jedem empfehlen, sich die einzelnen Texte und vorgetragenen Argumente genau anzueignen, um längerfristig eine eigene Position zu entwickeln...

Wie gesagt war die etwaige Relevanz des Buches nicht ersichtlich aus dem kurz überflogenen, miserablen Artikel.

Der größte Teil der Antwort an Aidanpryde war auch an dich gerichtet. Ich habe keinerlei Interesse über Bioethik oder Religion in einem frei assoziativen Sinne zu diskutieren, sondern wenn ich mich in einem Forum äußere, daß dem Ziel der körperlichen Langlebigkeit gewidmet ist, versuche ich alle Aussagen zu diesen Gebieten damit in grundlegende Verbindung zu bringen.

Die Diskussion zum Thema Religion ist unnötig, wir sind etwas abgedriftet. Eine Diskussion zum Thema Bioethik wäre zweckdienlicher, aber ich habe auch nicht wirklich ein Interesse daran (ich widme mich doch eher weiter der Wissenschaft und erfreulicheren Sachen) und außerdem dürfte meine Meinung jetzt sowieso hinreichend bekannt sein.

Noch einmal in Kurzform: Religionsanhänger sind schon Immortalisten, konventionelle (säkulare, nicht "sekuläre") Religionskritik will sie gewissermassen zu Todesanhängern machen, der moderne Immortalismus knüpft in grundlegenden Orientierungen dagegen immer schon an den traditionellen an. Wir teilen mit den religiösen Menschen eben das allgemeine inhaltliche Ziel der Unsterblichkeit und unterscheiden uns nur in der Form von ihnen, während rationalistische Atheisten in der Regel und in ihren Wortführern eine inhaltlich-existentiell andere Grundorientierung aufweisen. Diese "Todesbesoffenheit" begünstigt wiederum unzählige andere soziale Pathologien, die auch Aidanpryde in seinem letzten Beitrag angedeutet hat bis hin zu aktuellen und künftigen Krisenphänomenen der unterschiedlichsten Art. Von daher ist das alles keineswegs ein "Abschweifen" sondern zielt gerade umgekehrt auf Essentials der tieferen geistigen Zusammenhänge.

Das ist natürlich eine interessante Feststellung: Ergo stellt sich die Frage, ist es einfacher die leichtgläubigen, religiösen Menschen von unserem "Kult" zu überzeugen oder die rational denkenden, kritisch hinterfragenden (Atheisten, Agnostiker, Wissenschaftler, etc) mit wissenschaftlichen Argument zu überzeugen. Nüchtern gesehen, scheint es fast unmöglich beide Parteien davon zu überzeugen momentan. Insofern sie sich da nichts nehmen oder nicht viel (d.h. selbst wenn es einfacher wäre an religiöse Kulte bzgl. Immortalität anzuknüpfen) sollte man weiterhin die invasive, organisierte Religion (die allem Anschein nach doch Züge eines bösartigen Tumors hat) zu bekämpfen, weil sie der sekulären Wissenschaft schadet, auf welcher wir aufbauen. Eine andere Frage wäre, ob wir an religiöse Kulte anknüpfen können ohne die Glaubwürdigkeit gegenüber Wissenschaftlern zu verlieren...

Wenn ich richtig liege und De-konversionen für uns zielführend oder zielführender sind, ist es schwer gegen Dawkins, Myers und die ganzen militanten Atheisten zu argumentieren. Denn sie tun, auf ihre eigene Weise, sehr viel für den Humanismus, rationalen Atheismus, etc. Wenn du richtig liegst habe ich ein gewisses Problem: ich verabscheue organisierte Religion aber auch die Kurzsichtigkeit moderner, sekulärer Bioethik -- welches Gift  soll ich mir aussuchen? In dem Fall müssten man sich natürlich eine andere Strategie aussuchen...

Als etwas fatalistischer (d.h. sehr 'todesbesoffener') Nihilist habe ich irgendwie ein Problem zu verstehen wieso es so schwer sein soll Atheisten zu begeistern (verzeih mir den Mangel an praktischem Wissen, aber ich habe nicht wirklich viel "Missionarsarbeit" hinter mir). Alle Dinge gehen irgendwann zu Ende, warum das Leben nicht verlängern? Sicher, es ist  sinnlos auf lange Sicht, aber unterhaltsam!

Edited by kismet, 28 April 2009 - 06:25 PM.


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#34 karl_bednarik

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Posted 28 April 2009 - 05:57 PM

Lothar versteht mich nicht, weil mir Lothar nicht ähnlich ist.

Wir sprechen beide deutsch, aber die Bedeutung unserer Worte

unterscheidet sich im Kontext von einander.

#35 Lothar

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Posted 28 April 2009 - 11:48 PM

@ Karl Bednarik:

Die pharmazeutische Industrie forscht sicher an „Geriatrika" gegen Symptome des Alterns, genannt Alterskrankheiten, aber sie betreibt kaum Grundlagenforschung gegen die tieferen Ursachen des Alterns an sich. Daher ist auf dieser Schiene wenig grenzsprengendes zu erwarten, gerade WEIL Altern ein multifaktorieller Prozess ist und auf vielen Ebenen gleichzeitig abläuft und die oberflächliche Konzentration auf einzelne Symptome diesem Geschehen strukturell hinterherläuft. Und dieses Hinterherhinken gilt allein deswegen schon, weil profitorientierte Unternehmungen meistens einen ziemlich kurzen Zeithorizont haben, während es bei der extremen Langlebigkeit um äußerst langfristige Zeitperspektiven geht. Daher waren schon immer staatliche oder öffentliche Einrichtungen notwendig, um die längerfristig oder grundsätzlicher orientierten Forschungsziele zur Geltung zu bringen, von den Universitäten angefangen, über beispielsweise Apollo-Projekt, Iter-Projekt, großer Teilchenbeschleuniger u.ä., wie auch das Human Genom Projekt zunächst nur eine staatlich-öffentliche Initiative war. Mangelnde Nachfrage durch unterentwickelten Langlebigkeitswunsch durch problematisierte Lebensqualität von weiten Teilen der Bevölkerung begrenzt die potentiellen Märkte und die Investionsbereitschaft weiter. Die staatlichen Investitionen im Vergleich zu den privaten in die Alternsforschung sind auch keineswegs „winzig", da ich die ungefähren Größenordnungen vor Jahren am Beispiel der USA einmal recherchiert habe, sondern glatt doppelt so groß! (2 Milliarden Dollar im Vergleich zu 1 Milliarde jährlich, nach einem Vortrag von Prof. Baltes 2003 vor einem Bundestagsausschuss.)

Das wissenschaftliche Weltbild der Aufklärung wurde primär von Philosophen durchgesetzt, schon im 18. Jahrhundert von Denkern wie Voltaire, Diderot, Rousseau u.a., wie auch heute noch Wissenschaft immer in einem gesellschaftlichen Kontext und geistigem Klima stattfindet, die sie fördern oder hemmen. In der Pharmaindustrie beispielsweise haben in der Regel Manager, Betriebswirte u.ä. das Sagen, das sind auch keine Naturwissenschaftler sondern Ökonomen und sie richten sich in ihren Entscheidungen nach allen möglichen nicht-wissenschaftlichen Kriterien. Eines der eindruckvollsten und wichtigsten aber wenig bekannten Beispiele für die tiefen psycho-sozialen Hintergründe einer revolutionären biomedizinischen Innovation ist die Erfindung der Anti-Baby-Pille, die von älteren und wohlhabenden Frauenrechtlerinnen stark gefördert wurde, um das jahrtausendealte Elend ungewollter Schwangerschaften abzuschaffen.

In welcher Weise sich das allgemeine Wissen in der Medizin oder der Nanotechnologie oder die Computerleistung der Rechner oder der Synergien zwischen diesen Bereichen vervielfacht, sagt noch überhaupt nichts über die konkrete, faktische Zunahme von medizinischen Behandlungs- und Heilungschancen aus, gar in Hinblick auf die Entwicklung von Zeitrahmen. Die Entwicklung der durchschnittlichen Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten spiegelt jedenfalls in keinster Weise ein „überexponentielles" Wachstum wider - es gibt hier noch nicht einmal eine einfach exponentielle Beziehung sondern nur einen gemässigten, linearen Anstieg, der für keinen von uns hier ausreicht, um „escape velocity" zu erreichen.

PS: Man kann die Worte eines anderen Menschen sehr wohl verstehen - und trotzdem eine andere Meinung haben.

#36 Lothar

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Posted 29 April 2009 - 12:08 AM

@ Aidanpryde:

Ich würde sagen, ich gehe deswegen nicht weiter auf die Schattenseiten der religiösen Tradition ein, weil dieser Aspekt zum einen für mich völlig selbstverständlich ist und ich zum anderen die Macht des Christentums hierzulande, gar von fundamentalistischen Strömungen, als nicht mehr besonders groß ansehe, aktuell veranschaulicht in der Schlappe der Berliner Pro Reli-Inititiative, die trotz monatelangem Wirbel keine 15% aller Wahlberechtigten für ihre Sache an die Urne bringen konnte. Meiner Meinung nach lohnt es sich angesichts solcher Größenordnungen einfach nicht, sich hier noch stärker zu echauffieren, sondern man ist um so mehr angehalten, die Prioritäten richtig zu setzen, sowohl was die eigene aktive und positive Orientierung angeht als auch bei der Einschätzung der wichtigeren und naheliegenderen Widerstände gegen die Langlebigkeit. Trotzdem habe ich letztes Jahr in dem Text „Die Top Ten der Einwände" (gegen die physische Unsterblichkeit) natürlich die religiösen an die erste Stelle gesetzt, weil sie historisch, global und quantitativ natürlich immer noch die größte Gruppe ausmachen, während alle anderen Einwände sich auf verschiedenste kleinere Teilgruppen aufspalten.

Ja, im großen und ganzen, auf der Ebene von bewußten Glaubensüberzeugungen, sind traditioneller und moderner Immortalismus wenig bis gar nicht kompatibel (mit Ausnahme der taoistischen Tradition), aber das war auch nicht mein Punkt. Mir ging es hier um allgemeinere psychische Dispositionen und Gemeinsamkeiten im Unterschied zur atheistisch-rationalen Fraktion. Siehe auch meine Antwort an Kismet.


@ Kismet:

Oh, sorry, ich dachte, der topic-Starter hätte eine Korrekturfunktion. (Oder aber die gab's mal bis vor dem großen Relaunch des Forums vor anderthalb Jahren?...)

Tja, Forendebatten sind wohl in der Regel so, wie du sie beschreibst. (Ich vergesse das öfters mal.) Aber sind sie so auch sinnvoll?

Du tust dir also lieber eine polemische Debatte zum religiösen Fundamentalismus an als z.B. eine sachliche Auseinandersetzung mit einer FAZ-Autorin?

Es scheint tatsächlich naheliegend zu sein, daß man weltlich-rationale Menschen leichter für die extreme Langlebigkeit begeistern kann, als traditionell-religiöse, aber dann müsste man sich ja auch auf diese Ebene konzentrieren und nicht die Schlachten von gestern und vorgestern neu schlagen wollen. Andererseits sind die weltanschaulich-philosophischen Denkweisen hier im individuellen Einzelfall wohl weniger entscheidend als die psychologischen Faktoren und Dispositionen, wobei die ganze Unterscheidung religiös-säkular (es heißt wirklich nicht „sekulär") mehr einen idealtypischen Charakter besitzt. Von der kleineren Minderheit der echten Fundamentalisten (hierzulande!) abgesehen, wie z.B. evangelikale Christen oder papstreue Katholiken, sind die meisten offiziell oder subjektiv christlichen Menschen natürlich längst stark vom aufklärerischen Weltbild geprägt und weisen komplizierte, heterogene Mischformen in ihren Einstellungen auf, wie umgekehrt eine noch viel kleinere Minderheit weltlich-rationaler Menschen eine dezidiert atheistische Einstellung besitzt. Und eine solche bewußt und kämpferisch atheistische Einstellung ist eben fast immer reaktiv konstruiert, d.h. auf's dagegensein (gegen die religiöse Tradition) fixiert, wie nicht selten mit expliziter Todesakzeptanz verknüpft. Eine, wie ich finde, völlig vernünftige aber auch eher unpolemisch-pragmatische Einstellung wie Zitat: „Alle Dinge gehen irgendwann zu Ende, warum das Leben nicht verlängern?" wird bei solchen Atheisten daher wohl auf weniger positive Resonanz stossen als bei der grossen Masse der Indifferenten, Ambivalenten und Inhomogenen. Die könnte man mit dem Eifer der Religionskritik allerdings durchaus verschrecken, wie über's Jahr gesehen hier doch eine ganze Menge mitlesen, von denen aber nur ein kleinerer Bruchteil zum Stammgast wird. Das kann einem aber natürlich völlig egal sein, wenn man - wie Karl Bednarik - ein solches Forum nur wie den kommunikativen Austausch von „Steakessern" ansieht, weil man ja eh niemanden überzeugen möchte...

Ja, man kann nicht einfach in einem naiven, ungebrochenen und unkritischen Sinne an die religiöse Tradition anknüpfen, ohne moderne Menschen und Wissenschaftler abzuschrecken, aber das habe ich auch nicht gefordert. Für mich läuft eine moderne Unsterblichkeitsphilosophie dagegen immer letztlich auch auf „quasi"-religiöse oder religions"analoge" Aspekte hinaus, um die man nicht herumkommt, wenn man das tiefere Wesen und die tiefere Faszination des ganzen Ziels nicht aufgeben will. Auf der wissenschaftlich-nüchternen Schiene allein, kann man dagegen keine Begeisterung entfachen. Im Hauptforum gibt es auf Grund dieser immer schon sprachlich gegebenen Religionsnähe kontinuierliche Bestrebungen, den Namen des „Immortality" Instituts zu ändern, nur noch von „extremer Langlebigkeit" zu sprechen und auch „das böse F...-wort" zu vermeiden (nein, hier ist nicht Fuck gemeint, lach!). Die Begründungen sind zwar nachvollziehbar, aber zum einen glaube ich, daß der Name schon viel zu lange abertausende von Diskussionen geprägt hat, als daß ein blosser Namenswechsel nicht auf einen reinen Etikettenschwindel hinauslaufen würde. Zum anderen lockt man mit konventioneller Seriosität eben keinen Hund hinter dem Ofen hervor sondern würde bloss an den Scheckenfortschritt des wissenschaftlich-pharmazeutischen Mainstreams anknüpfen. Letztlich ist ALLES, was auf ein jenseits des „existentiellen Zeithorizonts" (siehe oben) zielt, eine Art von Unsterblichkeitsprojekt, wie auch Aubrey de Greys technisch-abstrakter Begriff der „escape velocity" auf seine Weise an tiefste Menschheitssehnsüchte anknüpft. Man hat mit solchen inhaltlichen Zielen daher meiner Meinung nach nur noch die Wahl sich bewußt und konstruktiv auf solche kollektiven seelischen Dispositionen zu beziehen - oder man muß mit der tausendfachen Wiederkehr des Verdrängten leben, die sich indirekt und unbewußt hinter dem Rücken aller Beteiligten einstellt und alle Bestrebungen und Aktivitäten fortlaufend beeinträchtigt.

#37 Guest_aidanpryde_*

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Posted 29 April 2009 - 08:15 AM

In Bezug auf den letzten Abschnitt und die eventuellen Namensänderung von Imminst.org um gemäßigter zu erscheinen, die ich auch für falsch halte:

Meine Unterschrift unter deine Worte.

#38 karl_bednarik

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Posted 29 April 2009 - 11:34 AM

Hallo Lothar,

ich habe nun Deine Worte durch einen Lothar-Karl-Bedeutungs-Transmittet gefiltert.

Du wirst vermutlich lachen, aber wir sind vermutlich einer Meinung.

Das hier ist doch gar nicht das sens-institut,

das hier ist doch das immortality-institut.

Ich bin genau hier,
und ich unterzeichne auch jetzt genau hier:
Karl Bednarik.

#39 karl_bednarik

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Posted 02 May 2009 - 07:42 AM

Einige Nachbemerkungen:

Als Agnostiker kann ich nicht gut gegen Religionen sein, denn es könnte ja eine zutreffen.

Die Kosten für die Bestimmumg eines individuellen menschlichen Genoms
betragen bereits jetzt nur noch ein Tausendstel des anfänglichen Preises,
und dafür geht es nun auch noch hundert mal schneller.

Biochips ersetzen ganze Laboratorien, und halbintelligente Roboter
machen die meiste Arbeit, was natürlich die Kosten senkt.

Es ist absehbar, daß die Biochips noch kleiner und schneller werden,
und sich die Roboter noch ein wenig klüger verhalten werden.

Ein besonders wichtiger Aspekt ist der Puzzle-Effekt.

Man muß alle drei Milliarden Basenpaare und alle dreißigtausend Proteine
in allen ihren Wechselwirkungen kennen, um eine lebende Zelle zu verstehen.

So wie die letzten Teile eines Puzzles ganz von selbst in das Bild passen,
so wird auch die Funktion der lebenden Zelle plötzlich schlagartig klarwerden.

Ein Computerprogramm, daß das leistet, muß nicht wirklich intelligent sein,
weil auch die Zellen nicht wirklich intelligent sind.

Ich nehme an, daß die weltweite Wetterprognose schwieriger ist.

Der Puzzle-Effekt gilt für alle Systeme, die aus mehreren unterschiedlichen
Teilsystemen aufgebaut sind, die aber eine endliche Anzahl von Teilsystemen haben.

Der Puzzle-Effekt täuscht anfangs vor, daß man lange Zeit keine Fortschritte macht,
und daß dann danach ein explosionsartiger Erfolg auftritt.

Man kann das als Grundlage für seinen Optimismus verwenden.

#40 karl_bednarik

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Posted 04 May 2009 - 04:23 PM

Das wissenschaftliche Weltbild der Aufklärung wurde keineswegs primär von
Philosophen durchgesetzt, sondern von Wissenschaftlern und Technikern,
zumeist gegen den Widerstand der Mehrheit und der Religionen.

Einige Beispiele:
Nicolaus Copernicus, 1473 bis 1543,
Johannes Kepler, 1571 bis 1630,
Galileo Galilei, 1564 bis 1642,
Antoni van Leeuwenhoek, 1632 bis 1723,
erster Montgolfiere-Flug: 1783,
Zeitalter der Aufklärung: 17. bis 18. Jahrhundert,
James Watt, 1736 bis 1819,
Joseph Louis Gay-Lussac, 1778 bis 1850,
und noch viele andere.

Der Grund dafür ist sehr einfach:
Durch bloßes Nachdenken kann man überhaupt nichts über die Welt erfahren,
aber durch Messen, Wägen, Beobachten und Experimentieren schon.

Ohne Fernrohr und Mikroskop wüßten wir nichts von Jupitermonden und Bakterien.
Bei den meisten Erfindungen hat man zuerst irgend etwas zusammengeschraubt,
und oft erst sehr viel später die dazu passende Theorie gefunden.

Edited by karl_bednarik, 04 May 2009 - 04:34 PM.


#41 kismet

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Posted 04 May 2009 - 11:31 PM

Der Namenswechsel wurde wahrscheinlich totdiskutiert. Ich glaube mittlerweile ist Konsens, dass das Institut beim Namen bleibt, u.a. weil Imminst sowieso eher für die 'hardcore' Immortalisten da ist. Da verwundert es nicht, dass man sich 'unter sich' fühlt. Ich weiß nur nicht genau wer der gemäßigtere Ansprechpartner für Lebensverlängerungsdiskussionen sein soll (alles muss ja klein anfangen). Ich verlinke mittlerweile nur noch zur Mfoundation wenn ich über das Thema spreche. Imminst schreckt die Leute eher ab und die Mfoundation ist etwas greifbarer und verständlicher.

Ich würde relativ gerne ab und zu echte ethische Fragen diskutieren, aber die meisten "Kritiken" die ich zu dem Thema (& zum Thema anderer progressiver Ideen) gelesen habe sind einfach nur eine Aneinanderreihung von logischen Fehlschlüsse und bewussten Fehlinterpretationen der Tatsachen (selbst die ethische Debatte über Transplantationen die ich neulich gelesen habe strotzt nur so von Fehlschlüssen und schmerzhaft irrationalen Prämissen und so etwas wird noch dazu im NEJM publiziert). Ich habe nicht genug Freizeit um die Literatur nach rationalen, widerlegbaren Argumenten zu durchsuchen. Wenn das Buch nicht schlecht ist kann man es sich ja mal zulegen...?
"Meinungen" wie aus der Ära Bush und Kass kann man nicht mit Worten beschreiben und auch nur schwer dagegen argumentieren auch wenn Kass' Argumente durchaus (pseudo-)wissenschaftlich klingen mögen.

Um mal kurz den Artikel durchzugehen (hoffentlich macht das Buch mehr Sinn und kommt nicht über Umwege zu den selben, äußerst merkwürdigen Schlüssen):

Debatte, die in den Vereinigten Staaten unter dem Stichwort „War on Aging“ seit einigen Jahren geführt wird. Transhumanistische Appelle und Nano-Visionen mischen sich mit spekulationsfreudigen Stellungnahmen aus Evolutionsbiologie, Biomedizin, Gesundheitsökonomie.

Transhumanismus und "Nano-Visionen" haben herzlich wenig mit dem "War on Aging" zu tun. Wir müssen einiges falsch gemacht haben, dass Leute denken es bestünde da ein direkter Zusammenhang. Natürlich könnte es sich auch um bewusste Fehlinformation handeln um das Thema zu diskreditieren (andererseits haben viele Leute in dem Forum ein Problem die Themen auseinanderzuhalten). Auf keinem Fall dürfen diese hypothetischen und futuristischen Ideen, die nur am Rande mit klassischer oder regenerativer Biogerontologie vom Typ SENS zu tun haben, jemals auf diese Art und Weise im selbsen Satz erwähnt werden.

Seit einigen Jahren erlebt das neue Forschungsfeld „Biogerontologie“ einen stürmischen Aufschwung.

Hoffentlich steht Biogerontologie unter Anführungsstrichen als Fremdwort und nicht als wäre es eine Modeerscheinung und keine anerkannte Forschungsrichtung (mit 39000 Einträgen in Pubmed; 3000 Einträge weniger als "Multiple Sklerose" - ist doch eine echte Krankheit, oder?)

Erstens gliche die biologische Unsterblichkeit nicht einer Unverletzlichkeit wie im Märchen. Der Mensch bliebe tötbar. Infektionskrankheiten, Unfalltod, Gewalt oder auch Suizid würden also die Rolle eines, dann allerdings lebensabschnittsunabhängigen „normalen“ Todes übernehmen, fiele der Alterstod weg.

Es ist relativ naiv zu denken, dass Infektionen, Unfälle und andere Risiken dieselbe Rolle spielen würden wie heute (i.e. mit gleichbleibender und nicht gen Null tendierender Mortalität). Und es ist unverantwortlich das nicht zu erwähnen.

Naheliegenderweise gehen Utopien von längeren Leben und human enhancement, Leistungssteigerungsvisionen, Hand in Hand.

Human enhancement und medikamentöse Leistungssteigerung sind Realität im Hier und Jetzt. Es ist keine Utopie. That's your wake-up call. Warum trinken Menschen Kaffee? Warum nehmen Akademiker Modafinil? Warum betreiben wir Sport oder ernähren uns gesund? Warum spritzen sich kerngesunde Menschen supraphysiologische Dosierungen an Testosteron? Warum existiert Doping überhaupt und das seit der Antike? Was ist das Internet? Könnte es nicht sein, dass eine Art "Transhumansimus", ein Bestreben nach "Human Enhancement" in uns allen innewohnt?

Ökonomisch würden ohne massive politische Regulierung Katastrophen drohen in den Bereichen Kinderzahl, Rente und Ruhestand und wohl auch Freizeit.

Ersteres wahrscheinlich. Aber um letzteres zu Regeln bräuchte es nicht wirklich 'massiver' oder zumindest nicht drastischer Änderungen.

Ob das individuelle Lebensglück durch generell mehr verfügbare Jahre steigt, darf bezweifelt werden.

Wieso und warum? Vielleicht steigt ja nicht das Lebensglück, aber wenigstens sinkt das Lebensunglück, oder läuft das auf ein Argument á la Kass hinaus: Leiden und Sterben sei notwendig um das Leben zu genießen? Wer ernsthaft argumentieren will, dass der Wegfall einiger der schrecklichsten Krankheiten, welche die Menschheit kennt (Krebs, Demenzerkrankungen), nicht das Lebensglück steigern würde, muss schon deutlich bessere Beweise vorbringen als eine Meinung.

Vor allem aber drohen neue Dimensionen der sozialen Ungleichheit: Lebensverlängerungsbehandlungen werden teuer sein. Darüber sind sich alle Autoren des Bandes einig.

Wie alle anderen Therapien könnten sie anfangs teuer sein. Doch wenn man die Ersparnis durch verringerte Mortalität und Morbidität umrechnet und auch nur die Hälfte davon in Subventionen für diese Therapien investiert....
Außerdem ist das doch ein non sequitur: Weite Teile Afrikas haben nicht mal sauberes Trinkwasser, ganz zu schweigen von beispielsweise HAART. Müssen wir deswegen AIDS-kranke hierzulande sterben lassen? Wäre ein derartiger Massenmord (im Passiv) ethisch vertretbar?

Schon die Forschung nach den Ursachen der Seneszenz setzt möglicherweise dringlichere medizinische Forschungsfragen zurück, sie hat Züge einer Investition in Luxusmedizin.

Diese Aussage ist entweder eine dreiste Lüge oder auf Ignoranz zurückzuführen (vielleicht verwechselt der Autor auch 'anti-aging' Quacksalberei mit echter Wissenschaft). Altern verursacht unvorstellbares Leid und das sieht normalerweise jeder ein; nicht umsonst investiert das amerikanische NIA jährlich eine Milliarde Dollar (aus dem offiziellen Budget!) allein in Alzheimer-Forschung. Geht es noch viel dringlicheres als Krebs, Alzheimer und andere Krankheiten vom dem Schlag?

Und welche der anfallenden Kosten werden den überlasteten Solidarsystemen zusätzlich aufgebürdet werden?

Ich bin zwar kein Ökonom, aber hat jemand dieses hochgestochene Argument ein mal überprüft? Welche Kosten verursacht eigentlich altersbedingte Morbidität und Mortalität? (Ich werde das Gefühl nicht los, dass alle Krisen und Kriege der Menschheitsgeschichte zusammengenommen deutlich geringere Schäden hinterlassen haben) Wieviel kostet es ein Kind aufzuziehen um diesen Verlust "auszugleichen"? Ist es wirklich zu viel verlangt eine sensible Rentenregelung aufzustellen? (dass das all-or-nothing Pprinzip nicht funktionieren würde ist selbstverständlich; man kann nicht jemandem ab Alter X einfach für immer und ewig Auszahlen in einer Welt von Morgen)

Derartig schwache Argumente sind langweilig und Zeitverschwendung (soll die doch jemand widerlegen, der darin trainiert ist Stumpfsinn zu widerlegen :) ). Die relevanten Fragen aus der Rezension ließen sich in 2-3 Sätzen zusammenfassen (und interessanterweise wurden die genauen Implikationen oder Lösungsvorschläge für diese nicht angesprochen).
Auf die Schnelle finde ich nur die Fragen sinnig und interessant: Die Fragen nach den Kosten bzw. Ersparnissen (!); Notwendigkeit politischer Regelungen (ist eher eine Feststellung als Gegenargument oder Kritikpunkt..)

Edited by kismet, 05 May 2009 - 10:49 AM.


#42 karl_bednarik

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Posted 06 May 2009 - 06:00 AM

Sogar die modernsten Theorien, wie zum Beispiel die Spezielle Relativitätstheorie oder die Quantenmechanik, wurden erst entwickelt, nach dem man sich neuere und genauere Meßergebnisse nicht mehr mit den bisherigen Theorien erklären konnte.

Die Reihenfolge ist praktisch immer so:
1. Neuere, bessere Meßgeräte (z.B. Mikroskop).
2. Neuere, bessere Theorie (z.B. Mikroorganismen).
3. Philosophische Konsequenzen (z.B. keine Urzeugung).

Gerade die innovativen Menschen sind Einzelgänger, die völlig anders denken und handeln als alle anderen Menschen um sie herum.
Das ist logisch, denn sonst hätten die anderen Menschen die Innovation schon längst gemacht.

Innovative Einzelgänger lassen sich nur wenig von anderen Menschen, Philosophien, oder Religionen beeinflussen.
Beeinflussbare Menschen entwickeln nur selten eigene, neue Ideen.

Die Menschen der heutigen Zeit wurden von den Philosophen der Aufklärung beeinflusst.
Die Philosophen der Aufklärung wurden von den Wissenschaftlern beeinflusst, die vor ihnen gelebt haben (siehe meinen letzten Beitrag).

Diese vor der Aufklärung lebenden Wissenschaftler waren das Musterbeispiel von innovativen Einzelgängern.

#43 Lothar

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Posted 06 May 2009 - 08:16 AM

@ Karl Bednarik:

Ich würde sagen, es hängt davon ab, was man unter dem Begriff „durchgesetzt" versteht. Die von dir aufgelisteten und andere Naturforscher haben natürlich die materielle Basis für das wissenschaftliche Weltbild gelegt, auf die sich dann aufklärerische Philosophen bezogen haben, um es in geistigen, sozialen, politischen und religiösen Zusammenhängen zur Geltung zu bringen. Zum einen heißt „Aufklärung" aber weit mehr als die wissenschaftliche Erforschung der Natur, zum anderen hat die Entstehung des wissenschaftlichen Denkens und die Hinwendung zur messenden Naturbeobachtung selbst philosophische Grundlagen und wurzelt teils sogar in Überlegungen mittelalterlicher Theologie. Auf die Idee, daß alles mit neuen Messinstrumenten beginnt, kann wirklich nur ein radikaler Reduktionist wie du kommen. Warum kommunizierst du eigentlich überhaupt noch mit anderen Menschen, du genialer Einzelgänger, lach? Und warum hast du 40 Jahre lang in wissenschaftlichen Teams gearbeitet??

Kopernikus und Kepler beispielsweise waren noch tief von christlichen Vorstellungen geprägt und selbst der Theologe(!) Charles Darwin hatte noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts große Mühe, die religionskritischen Schlüsse aus seinen eigenen wissenschaftlichen Forschungen zu ziehen. Die Entstehung und Ausbreitung gerade des Darwinismus ist daher von all den weltanschaulich-philosophischen Auseinandersetzungen nicht zu trennen, wie etwa auch die heutige islamische Welt zeigt, daß die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten 500 Jahre nicht ohne weiteres oder wie von selbst die in einer Gesellschaft herrschenden traditionell-religiösen Weltbilder umstürzen usw.

Im übrigen sind das einzige, das sich in der Gegenwart „explosionsartig" oder „überexponentiell" entwickelt, deine explosiven oder „überspekulativen" Erwartungen. Ich glaube, du hast auch lange nicht mehr gepuzzelt, denn die Lösung eines Puzzles zeichnet sich oft schon nach der Hälfte oder zwei Drittel aller gelegten Teile ab und keineswegs erst ganz zum Schluß. Wie oben schon geschrieben: Davon kann was die reale medizinisch-wissenschaftliche Entwicklung angeht leider keine Rede sein, wie die überwältigende Mehrheit der Alternsforscher und Mediziner das Altern noch gar nicht abschaffen will, gerade die Biogerontologie noch nicht einmal ein einheitliches Paradigma zur Erklärung des menschlichen Alterungsprozesses besitzt, noch keinen einzigen Tag menschliche Lebensverlängerung praktisch beigesteuert hat oder etwa seit über 10 Jahren der Rekord beim maximalen Lebensalter nicht mehr eingestellt wurde usw. usf. (wenn man die beiden kürzlichen Kandidatinnen aus der ehemaligen Sowjetunion nicht mitzählen will, die aber von der hier maßgeblichen Gerontology Research Group nicht anerkannt werden.) Vor diesem Hintergrund empfinde ich deine fortgesetzten Techno-Spekulationen als das reine Pfeifen im virtuellen Walde. Du verknüpfst Äpfel mit Birnen, wie du es seit Jahren mit dem Moorschen Gesetz machst, so daß deine einseitig-selektiven Beschwörungen bestimmter potentiell positiver Entwicklungen unter Ausblendung potentiell negativer auf nichts anderes als auf puren „Ankündigungsoptimismus" hinauslaufen. Echter Optimismus sieht anders aus.

#44 Lothar

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Posted 06 May 2009 - 08:22 AM

@ Kismet:

Der potentielle Ansprechpartner für Lebensverlängerungsdiskussionen wären etwa der entschlossenere Teil jener ca. 10 Millionen Menschen allein in Deutschland, die laut kürzlicher repräsentativer Emnid-Umfrage heute schon unsterblich bzw. 300 bzw. 150 Jahre alt werden wollen. Religiöse Fundamentalisten wie Hardcore-Atheisten wie die grosse Masse der Unentschiedenen usw. sind dagegen alle zweit- bis drittrangig, jedenfalls wenn es um die Fragen der körperlichen Langlebigkeit im engeren Sinne geht. Wenn von diesen 10 Millionen beispielsweise im deutschen Regionalforum auf ImmInst über's Jahr gesehen weniger als ein zehntel Promille auftauchen und noch weniger zum Stammgast werden, könnte man schon einmal überlegen, was man anders oder besser machen müsste, um hier eine größere Resonanz zu erzielen.

Ich finde, wenn du sachlich argumentierst, wirst du immer ziemlich schnell präzise und gehaltvoll, während du deine eigene geistige Leistung mit eingestreuten oder nachgeschobenen polemischen Spitzen sabottierst und um ihre rhetorische Wirkung bringst. Wissenschaftliche Rationalität hat aber nicht nur etwas mit inhaltlichen Orientierungen zu tun sondern auch mit formalen Aspekten der argumentativen Begründung, wobei das allerdings mehr ein Problem des auf ImmInst bzw. in Internetforen allgemein herrschenden Diskussionsklimas ist. Ich kann dem meisten, was du über den FAZ-Artikel geschrieben hast, jedenfalls zustimmen, will aber jetzt nicht genauer darauf eingehen, weil ich im Moment sowieso nicht mehr genau weiß, was Originalmeinung der Autorin ist oder wo sie nur - gar tendenziös - Argumente aus dem rezensierten Reader übernimmt. Wenn wir hier immer weiter diskutieren, komme ich ja schließlich auch gar nicht zu der Lektüre dieses Bandes, lach. Nur drei Punkte noch an dieser Stelle, die mir wichtig erscheinen:

- Die Frage, ob irgendeine Position es wert ist, diskutiert zu werden, kann man nicht einfach nur nach subjektiver Sympathie und Antipathie entscheiden (das mag auf einer persönlichen Ebene durchaus ausschlaggebend sein), sondern nach ihrer allgemeinen Verbreitung und objektiven Relevanz resp. Dominanz. Wenn es aber niemanden gibt, der die mühevolle Kleinarbeit machen will, um sich mit „schwachsinnigen" oder „stumpfsinnigen" Argumenten auseinanderzusetzen, wird sich hier jedenfalls nie etwas ändern und es gilt weiterhin auf unabsehbare Zeit der Schneckenfortschritt konventioneller Wissenschaft und Medizin, der erst ferneren Generationen „escape velocity" bescheren wird.

- Bei allen Finanzierungsfragen von wissenschaftlichen Projekten und den damit verbundenen (nicht nur ethisch-moralischen) Abwägungen von Prioritäten bei der Mittelvergabe kann man nie vom glücklichen Ende her argumentieren, weil dieses Ende nicht sicher ist, schon gar nicht in einem engeren Zeithorizont. Daher stehen in Wirklichkeit immer nur ForschungsCHANCEN längst REALISTISCHEN Möglichkeiten etwa für humanitäre Hilfsprojekte gegenüber. Beispielsweise könnten die kürzlichen überlebenden Opfer im italienischen Erdbebengebiet die italienischen Behörden fragen, warum ihre Steuergelder für ferne Zukunftsprojekte anstatt zur unmittelbaren Hilfe ausgegeben werden sollen usw.

- Daß mit dem Alterstod nur eine zentrale Todesursache wegfiele aber der Tod an sich völlig unberührt bleibt, halte ich für einen der wichtigsten Gründe, warum sich bislang so wenig Menschen für die körperliche Unsterblichkeit oder auch nur für Alternsforschungsprojekte à la SENS interessieren, denn jeglicher Wunsch nach Un-Sterblichkeit beschwört das Thema der Sterblichkeit mindestens indirekt oder implizit begrifflich herauf, „existentieller Zeithorizont" siehe oben, und berührt sämtliche Muster der herrschenden Todesverdrängung. Dies hat noch unübersehbare Konsequenzen und würde jetzt wohl zu weit führen.

#45 karl_bednarik

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Posted 07 May 2009 - 07:36 AM

Der Zusammenhang zwischen neuen Messinstrumenten und neuen Theorien ist eindeutig:
Bernsteinstab + Blättchen ... Elektrostatik,
Mikroskop ... Mikrobiologie,
galvanisches Element + Kompass ... Elektromagnetismus,
Michelson-Morley-Interferometer ... Spezielle Relativitätstheorie,
Photoplatte ... Radioaktivität,
Photozelle ... Quantenmechanik,
Teilchenbeschleuniger ... Standardmodell.
Das kommt daher, dass man nur über Vorgänge nachdenken kann, die man bemerkt hat.
(Kommen Sie näher, treten Sie ein, hier sehen Sie etwas, was Sie noch nie gesehen haben.)

"Warum hast du 40 Jahre lang in wissenschaftlichen Teams gearbeitet?"
Ich habe zwischen 1964 und 2002 deshalb in verschiedenen Laboratorien
gearbeitet, weil ich mir mein Geld selbst verdienen musste.

Deshalb konnte ich zwischen 1983 und 2002 nur rund einen
Monat pro Jahr an meinem Mikro-Roboter arbeiten.
Seit 2003 sind es aber rund 11 Monate pro Jahr.

"Warum kommunizierst du eigentlich überhaupt noch mit anderen Menschen?"
Ich schreibe vorwiegend für jene Menschen, die mir so
weit ähnlich sind, dass sie gut verstehen, was ich schreibe.
Ich vermute, dass das etwa ein Tausendstel der Menschen ist.
(Diese Menschen sind mir wichtig.)

Ich schreibe, um meine Gedanken zu ordnen, und zu überprüfen.
Ich schreibe aus Spass und zur Erholung auch Science-Fiction.
Viele Wissenschaftler und Techniker kamen durch die Science-Fiction
zu ihrem Beruf, und einige davon schreiben selbst wieder Science-Fiction.

Du beschwörst das Bild einer völligen Stagnation herauf,
während der wissenschaftliche Fortschritt an Dir vorbei rast.
Zeichne eine Kurve mit der x-Achse "Anzahl eingepasster Puzzle-Teile", und mit der
y-Achse "Kehrwert der Zeit zwischen den jeweils letzten beiden abgelegten Puzzle-Teilen".
(Die y-Achse zeigt dadurch die Ablege-Geschwindigkeit pro Puzzle-Teil an.)

Optimismus und Humor sind garantiert unschädlich.
Voraussagen sind besonders dann schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen.
Es gibt viel zu tun, also warten wir es ab.

Edited by karl_bednarik, 07 May 2009 - 07:48 AM.


#46 Lothar

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Posted 07 May 2009 - 10:12 AM

@ Karl Bednarik:

Warum baut man aber erst neue Messinstrumente oder denkt sich welche aus, mit denen man neue Dinge bemerkt? Das hat doch Voraussetzungen, die teils innerwissenschaftliche, teils vorwissenschaftlich-soziale, geistige oder persönliche Gründe besitzen. Wieso willst du unbedingt die lebendige und komplexe Einheit von wissenschaftlicher Forschung mit außerwissenschaftlichen Rahmenbedingungen auseinanderreissen?

Nein, nein, nicht über das Puzzeln theoretisieren sondern empirisch-praktisch deine Metapher überprüfen: die Ablegegeschwindigkeit nimmt nicht gegen Ende „überexponentiell" zu, weil die Detailarbeit im kleinen immer noch zeitraubende Mühe macht, trotzdem weiß man schon sehr viel früher, wie das Gesamtbild aussieht. Als symbolischer Vergleich mit der Situation in der Alternsforschung ist dieses Bild völlig schief, weil man hier allenfalls die vagen Umrisse und das ein oder andere Detail kennt - und das nach Jahrzehnten der „überexponentiellen" Forschung.

„Du beschwörst das Bild einer völligen Stagnation herauf, während der wissenschaftliche Fortschritt an Dir vorbei rast."

Wie kommst du denn darauf? Die Kritik „überspekulativer" Extrapolationen und logisch unhaltbarer Verknüpfungen wie deine suggestiven Anwendungen des Moorschen Gesetzes heisst doch noch lange nicht, die „Stagnation" der wissenschaftlichen Forschung zu beschwören. Es geht hier auch gerade nicht um „die" allgemeine wissenschaftliche Entwicklung sondern um deren ganz konkreten Niederschlag in der Medizin und Alternsforschung Richtung Langlebigkeit. Dabei fasse ich im Grunde nur die dominierenden Grundpositionen der zugehörigen Disziplinen und selbst von charismatischen Außenseitern wie Aubrey de Grey in eigenen Worten zusammen, nach denen mit entscheidenden Durchbrüchen zu „escape velocity" in den nächsten Jahrzehnten nicht zu rechnen ist - es sei denn, wir unternehmen Extra-Anstrengungen, die gerade im außerwissenschaftlichen Bereich ihren Anfang nehmen müssen. Es ist daher der typische Ausdruck von fatalistischer Passivität als altbekanntem Umschlag eines eskapistischen Optimismus in sein praktisches Gegenteil, wenn dein Gesamtfazit auf „warten wir es ab" hinausläuft. Das ganze Immortality Institute ist schon von seinen Gründungsimpulsen her vom genauen Gegenteil her motiviert.

#47 karl_bednarik

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Posted 08 May 2009 - 06:54 AM

Ach, oh, Lothar,
es ist ungemein schwierig, jemandem etwas zu erklären, der völlig anders denkt als der Erklärende.

Meine Formulierung: "Es gibt viel zu tun, also warten wir es ab"
war natürlich ein Scherz, denn ich mache ja ein wenig mehr, als nur zu schreiben.

Ich fühle mich versucht an jedes Ende meiner Sätze entweder (Scherz) oder (Ernst) zu schreiben.

Meine Formulierung: "Voraussagen sind besonders dann schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen"
war natürlich Ernst, weil sie nachweislich zutrifft.

Man baut neue Messinstrumente, weil es Spaß macht, weil man gerne bastelt,
weil man gerne die Materie kontrolliert, oder weil man neugierig ist.
Außerdem kann man auch völlig zufällig über neue Beobachtungen stolpern,
während man etwas ganz anderes macht (das kommt sehr oft vor).

Ganz bestimmt aber entsteht die menschliche Neuier nicht dadurch, dass irgend
ein Philosoph gesagt hat: "Die Menschen sollen ab nun neugierig sein".

Weil meine Formulierung: "Voraussagen sind besonders dann schwierig, wenn sie die
Zukunft betreffen" zutrifft, erzähle ich Dir etwas aus der Vergangenheit.

Die Zeit der Leistungs-Verdopplung für Computer ist zwischen 1968 und 2008
tatsächlich von zwei Jahren auf ein Jahr abgesunken, was einem über-exponentiellem
Wachstum des Mooreschen Gesetzes in der Vergangenheit entspricht.

Biochips, Mikrosystemtechnik, Polymerase-Kettenreaktion, Hybridisierung,
Protein- und Nukleinsäure-Sequenzierungs- Automaten,
Protein- und Nukleinsäure-Synthese- Automaten,
Labor-Roboter, und automatisches Klonen, das alles wird längst angewendet.

Alle diese schlauen Systeme entstanden bereits durch die Synergie zwischen
Computern, Mikrotechnik, und Molekularbiologie.

Man hat bereits 1986 einzelne Atome atomgenau versetzt, und man hat bereits
1999 chemische Atombindungen atomgenau rein mechanisch hergestellt
(Mechanochemie).

Kritiker sagten zuvor, dass das Ablegen von Atomen durch den
"Klebrige-Finger-Effekt" verhindert werden würde, aber eine schwache
elektrische Gleichspannung schaltet diesen aus.

Die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation ist zwar nach wie vor
uneingeschränkt wirksam, wirkt sich aber in gekühlten Kristallen
dennoch nicht störend aus.

Das erklärt sich aus dem Umstand, dass das Produkt aus Ort und
Impuls niemals kleiner werden kann als h(quer) halbe, also
h durch 4 mal Pi, wobei h = 6,6261 mal 10 hoch minus 34 Js
(Plancksches Wirkungsquantum).

Ein einzelnes, freies Atom ist in Ort und Impuls so unbestimmt
(nicht: unbestimmbar), dass man von ihm kein klares Bild bekommen kann.

Wird aber ein einzelnes Atom an die Oberfläche eines Monokristalls
adsorbiert, dann geht die Masse des Monokristalls in die Gleichung
für den Impuls ein (Impuls ist Masse mal Geschwindigkeit).

Deshalb kann das Atom bei nahe bei null liegenden Geschwindigkeiten
auf Bruchteile eines Atomdurchmessers bestimmt sein, ohne das es
deswegen einen zu kleinen Impuls haben müsste.

Nach Abbe kann die Auflösung eines Lichtmikroskops nicht kleiner sein,
als die halbe Wellenlänge des verwendeten Lichtes.

Das trift aber keineswegs auf die optischen Raster-Nahfeld-Mikroskope zu.
(Forbidden Light SNOM, Light, that boldly goes, where no light has gone before.)

Alles was die Physiker an Tricks aus dem Hut zaubern, um die Nachteile
der Naturgesetze ohne die Verletzung der Naturgesetze zu umgehen,
das alles wird längst in der Molekularbiologie verwendet.
(Nicht: Es wird einmal verwendet werden.)

Ein typisches Beispiel ist das Biacore-Gerät von etwa 1995, das auf der
Oberflächen-Plasmonen-Resonanz beruht, die gewissermassen eine
winkelabhängige Lücke in die Totalreflektion schlägt, und mit der man
die Adsorption einzelner Moleküle messen kann.

Wirklich gute Science-Fiction-Schreiber interessieren sich auch für die Geschichte
der Technologie, denn diese ist eine umgekehrte Form der Science-Fiction.
Die Geschichte der Technologie war schon immer mein Steckenpferd.
Wenn diese Science-Fiction-Schreiber dann wieder von hinten nach vorne
sehen, dann nennt man das "Steam Punk".

Möge Seine Erhabenheit, Lord-Admiral Graf Frederik von Hombug das Licht
Seiner Galaxis auch auf Dich scheinen lassen, Sterblicher. (Scherz)

#48 karl_bednarik

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Posted 09 May 2009 - 10:10 AM

Mir ist noch ein schönes Beispiel eingefallen:

Das medizinische Wissen der Menschheit verdoppelt sich alle fünf Jahre.
Das maximale Lebensalter der Menschen steigt nur extrem langsam an.
Warum ist das so?

Wenn ich mir ein Leichtflugzeug in Form von 1000 Einzelteilen zusenden lasse,
dann werde ich nicht damit fliegen, wenn ich 999 Einzelteile eingebaut habe,
sondern ich werde erst damit fliegen, wenn ich 1000 Einzelteile eingebaut habe.
Alles andere wäre sehr gefährlich.

Eine Wirkstoffkombination die das menschliche Leben verlängern kann,
ist unwirksam, wenn man nur 99 Prozent der Zutaten besitzt.
Bei 100 Prozent der Zutaten ist sie dann "plötzlich" wirksam.

Wir besitzen ein umfangreiches molekularbiologisches Wissen, und
leistungsfähige Computer, die dann alles mit allem verbinden können.
Das Ergebnis dieser Arbeiten tritt dann ebenso "plötzlich" auf,
obwohl wir scheinbar 40 Jahre lang ins "Leere" gearbeitet haben.

Auch ein Puzzle ist erst nach dem letzten Stein "fertig".

#49 karl_bednarik

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Posted 15 May 2009 - 10:06 AM

Wo kommen Neugier, Fortschritt, und Kultur her?

Beim menschlichen Gehirn, und beim höher entwickelten tierischen Gehirn, stammt
die Hardware, also das Gehirngewebe, und das Betriebssystem, also die Triebe,
die Instinkte, das Lernvermögen, und die intuitive Logik, aus der biologischen
Evolution, die sich chemisch und physikalisch erklären läßt.

Das Gehirn ist aber dazu da, Daten aus seiner Umwelt hochzuladen, zu verarbeiten,
und auch abzugeben, weil dieses Anpassungsverhalten seine Überlebenswahrscheinlichkeit
erhöht.

Aus diesem Grund gibt es neben der biologischen Evolution auch noch die
kulturelle Evolution, die nicht auf dem Speichermedium der DNA beruht,
sondern auf Sprache und Schrift.

Auch die kulturelle Evolution läßt sich chemisch und physikalisch erklären,
wenn man die Eigenschaften der Umwelt mit einbezieht.

Ohne die über die DNA erzeugten Instinkte, Triebe, oder Gehirnstrukturen Neugier,
Spieltrieb, Lernfähigkeit, intuitive Logik, Sprachfähigkeit, Mitteilungsdrang,
und Nachahmungstrieb, würde die Übertragung und Speicherung von kultureller
Information außerhalb der DNA überhaupt nicht funktionieren.

Das wesentliche Merkmal der kulturellen Information ist, daß sie außerhalb
der DNA weitergegeben wird.

Die Form steinzeitlicher Werkzeuge ist kulturelle Information, die Fähigkeit,
überhaupt Werkzeuge zu bauen, und sie auch nachbauen zu können und zu wollen,
ist genetische Information in der DNA.

Fernrohre sind nützlich um weit entfernte Schiffe auf ihre Gefährlichkeit zu überprüfen.
Mit dem Fernrohr den Jupiter zu betrachten, das ist menschliche Neugier.

Für die menschliche Neugier benötigt man keine wie auch immer geartete Philosophie.
Für die Umlaufbahnen der neu entdeckten Jupitermonde benötigte man aber eine neue Theorie.

#50 karl_bednarik

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Posted 25 May 2009 - 02:09 PM

Medizinisches Wissen vernetzen:

Smartes Gesundheitswesen - IBM arbeitet daran (Werbespot, 30 Sekunden Dauer):

http://www-05.ibm.co...ealth_30sec.mpg




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