Posted 19 December 2003 - 10:15 AM
Hallo caliban,
vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Ich geh bei meiner Antwort einfach mal der Reihe nach vor.
Warum das ganze Projekt keinen deutschen Namen trägt, ist eine sehr gute Frage, die ich mir in der Vergangenheit auch schon öfters gestellt habe. Eine wirklich befriedigende Antwort d.h. genauer: eine befriedigendere (und deutsche) Alternative fand ich aber nie, was mich dann zumindest zu verschiedenen Betrachtungen über das Begriffspaar Unsterblichkeit/ewiges Leben geführt hat und zu der seltsamen Beobachtung, daß 'Un-Sterblichkeit' logisch-sprachlich gesehen eine doppelte Verneinung zum Ausdruck bringt. Und z.B. die einfache Übersetzung von 'Forever' - 'Für immer' - klingt für mein Sprachgefühl einfach seltsam bis komisch, wobei ich nicht mal genauer anzugeben wüßte, warum das so ist.
Beim Thema 'Inkarnation' habe ich nicht ganz verstanden, was du meinst bzw. genauer, worauf du dich beziehst. Ich glaube, du sprichst hier ein bestimmtes REinkarnationsverständnis an, wobei ich in der Vergangenheit immer wieder die Erfahrung gemacht habe, daß die Anhänger von Reinkarnationslehren keine wirklich geschlossene Gruppe bilden oder sogar ihre eigenen Lehren bzw. Lehrmeister falsch auslegen. Ich kann daher nicht mal sagen, ob Konzepte der De-Individualisierung in nicht-westlichen Traditionen tatsächlich die dominanten wären, aber im Kontext 'natürlicher Unsterblichkeit' würde ich immer in die Richtung argumentieren, daß extreme Langlebigkeit mit tiefgreifenden Persönlichkeitsveränderungen einhergehen muß, ja, daß die tiefgreifende Arbeit an Vorstellungen über die eigene 'Identität' ein wesentlicher Bestandteil des ganzen Prozesses sein müsste. Insofern sich allerdings Identitäts- und Selbstkonzepte immer nur im wechselseitigen interaktiven Austausch bilden und aufrechterhalten, hat man als einzelnes
Individuum darauf nur einen begrenzten Einfluß, weshalb das wohl mehr ein wichtiges Thema für bestimmte Gruppenprozesse oder in entsprechenden Gemeinschaften wäre...
Man erkennt 'die Kraft des positiven Denkens', wenn sich ein profunder Kritiker - anscheinend - genötigt fühlt, seine inhaltliche Kritik zurückzuhalten... ;-) . Im Ernst: eines der Hauptargumente gegen 'positives Denken' besteht ja darin, daß in der einseitigen Forcierung von 'Helligkeit', von Zustimmung, von Bejahung u.ä. 'positiven' Aspekten der konstruktive Nutzen von Kritik verlorengeht. Was aber nicht vollkommen ist, MUß einer entsprechenden Kritik verfallen, sonst kann es sich nicht weiterentwickeln, nur die Reihenfolge und Balance ist entscheidend, denn es gibt einfach zuviele Menschen, die das ständige Nörgeln und Kritisieren so sehr gewöhnt sind, daß sie jegliches Maß verloren haben und nur noch zerstören, ohne daß dem je irgendwo etwas aufbauendes oder weiterführendes gegenüberstehen würde.
Es ist schon o.k., wenn du Vorbehalte gegenüber meiner grundsätzlichen Herangehensweise bzw. meiner 'Ideologie' hast, schließlich habe ich selbst viele Jahre gebraucht, um bestimmten alternativen Ansätzen eine gewisse wenn auch kleine Wahrscheinlichkeit zuzubilligen und noch mal so lange, bis ich das auch offen nach außen vertreten konnte. Die geringe Größe der Wahrscheinlichkeit kann angesichts dessen, worum es geht, aber noch kein generelles Ausschlußkriterium sein, wobei die Kryonistenfraktion dieses Argument für ihre Sache ja ständig strapaziert, was bekanntlich sogar mir zu weit geht. Hoffnungen auf wissenschaftliche Fortschritte, technologische Gedankensspiele, Spekulationen aller Art, wie sie auch hier auf imminst.org gang und gäbe sind, sind schon in Ordnung, aber - ehrlich gesagt - so besonders rational finde ich vieles davon auch nicht gerade. Dabei plädiere ich gerade für die rationale Prüfung alternativer Erfahrungswege, wobei sich allerdings die Prüfkriterien von den in den Naturwissenschaften üblichen unterscheiden müssen, etwa nach dem Muster der grundlegenden Differenz zwischen natur- und geistes- bzw. sozialwissenschaftlichen Methodologien.
Beim Text in der Rubrik 'Empirie' dachte ich zu meinem Erschrecken beim Schreiben auch plötzlich, daß ich da doch noch einmal robustere Zahlen recherchieren müßte, aber zum einen arbeitete ich mit relativ aktuellen Standardlehrbüchern der Medizin, zum anderen wurde mir beim tieferen Nachdenken über die selbstgestellte Aufgabe klar, daß das Wesen der Fragestellung gar keine genaueren Zahlen zuläßt. Daher glaube ich nicht, daß man in diesem speziellen Fall mit Links zu Datenbanken o.ä. hätte aushelfen können, aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren. Wäre mir die inhaltliche Problematik von vorneherein so bewußt gewesen, hätte ich wahrscheinlich ein anderes Thema gewählt, aber ich fand das Problem als solches dann doch ganz interessant und lehrreich, auch dafür, wie man beim Schreiben zu neuen oder genaueren Einsichten kommt. Falls du mit den 'robusteren Verweisen' aber auch nur gerne für jede Angabe einen Beleg im Internet haben wolltest, dann muß ich dich enttäuschen, denn das gibt das Medium noch nicht her, wie überhaupt das Buch als komprimierte Informationsquelle seine Geltung behalten wird. (Daher auch meine gelegentliche Kritik im Forum auf unsterblich.de an diesen vielen geposteten Links mit den zweifelhaften Informationen aus zweiter oder dritter Hand, denn schon in einem einzigen Buch sagen wir von der Qualität von Kirkwoods 'Zeit unseres Lebens' steht hundertmal mehr und wesentlicheres drin, das es erstmal aufzuarbeiten und zu diskutieren gälte, bevor man sich wahllos in das Meer der aktuellen Neuigkeiten stürzt.)
Generell war ich noch nie ein großer Linkfreund, und ich glaube, daß man damit nur sehr sparsam umgehen sollte, insbesondere wenn sie innerhalb von Texten auftauchen. Die viel beschworene Nicht-linearität im Hypertextmedium Internet wird seit neuestem ja auch wieder einer kritischen Revision unterworfen, weil das Leseverhalten der Menschen doch viel stärker von linearen Konventionen geprägt sei, als man ursprünglich angenommen hatte. Dieser Zeitschriftenspiegel hatte zwar eine andere Funktion, aber die einzelnen Zeitschriften(artikel) zu verlinken, wäre trotzdem eine gute Idee gewesen, obwohl ich spontan nicht glaube, daß man sie alle im Netz findet. Spätestens bei solcher immer weiteren Optimierung im Detail komme ich dann doch auch einfach an meine Kapazitätsgrenze.
Dies gilt generell auch für sämtliche Hinweise und Einwände rund um das Thema Gestaltung, Design, Aufbereitung für das Internet u.ä., denn schließlich habe ich diesen Punkt nicht umsonst auf der Seite, wo ich eine Mitarbeit anbiete, hervorgehoben. Immerhin bemühe ich mich überhaupt um eine illustrative Auflockerung, während beispielsweise die Essays hier auf imminst.org in der Regel völlig 'nackt' daherkommen, was aber vielleicht auch nur einer anderen Grundauffassung entspricht. Dein Hinweis mit dem Angebot einer Druckversion ist völlig richtig, aber auch solche technischen Fragen überfordern in der Regel mein knappes Zeitbudget bzw. meine begrenzten Kenntnisse auf diesen Gebieten. Bei deinem Tip mit der Zeilenbreite schließe ich allerdings, daß du - wie ich - einen 17 Zoll-Monitor oder vielleicht auch einen Laptop bei einer Auflösung von 800 mal 600 benutzt, denn nur dann nehmen die Texte die ganze Bildschirmbreite ein!?? Auf einem 19-Zöller etwa bei 1024 mal 768 sieht das ganze aber gleich schon wieder völlig anders aus, weshalb 'Optimierung' ja immer nur auf mehr oder weniger gelungene Kompromisse hinauslaufen kann.
Man versteht das ganze bisherige Projekt am besten, wenn man es als halbprofessionelle Demonstration des Grundprinzips im kleineren Rahmen ansieht, das um Unterstützung auf vielfältiger Ebene wirbt oder - wenigstens - andere anregt, es anders, besser und umfangreicher zu machen. Die formalen Schwächen des ganzen liegen vor allem in meinen sonstigen Stärken, weil ich von Hause aus textlastig und zunächst mehr an den Inhalten interessiert bin, die ja schon genug Energie und Aufmerksamkeit benötigen. Letztlich ist die Herausgabe einer Zeitschrift im allgemeinen, die Gestaltung einer Web-Site im besonderen, aber kein Ego-Projekt sondern hat langfristig nur tiefere Bedeutung, wenn ein Team in vielfältiger Spezialisierung daran arbeitet. Ansonsten könnte man ja auch ein Buch schreiben...
Kollegialer Gruß
L.