• Log in with Facebook Log in with Twitter Log In with Google      Sign In    
  • Create Account
  LongeCity
              Advocacy & Research for Unlimited Lifespans


Adverts help to support the work of this non-profit organisation. To go ad-free join as a Member.


Photo
- - - - -

Überbevölkerung


  • Please log in to reply
35 replies to this topic

#1 Matthias

  • Guest
  • 851 posts
  • 289
  • Location:.

Posted 22 April 2005 - 04:35 PM


Denjenigen, die Überbevölkerung als Argument angaben, hatte ich folgendendes geantwortet:

Einige zukunftsorientierte Menschen haben immer schon an Technologien gearbeitet, die bei anderen als gefährlich oder als völlig abwegig galten. Wenn sie dann für alle nutzbar waren, galten sie plötzlich als selbstverständlich. Ich denke, daß heute schon teilweise absehbar ist, wie sich die menschliche Zivilisation langfristig entwickeln wird.
Jede Gesellschaft durchwandert mit der Industrialisierung die Phase der Bevölkerungsexplosion. Aber danach sind nun zwei Entwicklungen zu beobachten, die für die Staatsfinanzen bei uns z.Zt. negativ sind, die aber auch positive Aspekte haben:

1.) Positiv für die individuellen Lebenspläne:

Die medizinische Versorgung der Gesellschaft verbessert sich weiter, und die Menschen werden immer älter.

2.) Positiv für die Ökologie:

Die Familien bekommen immer später immer weniger Nachwuchs, und ein massiver Bevölkerungsrückgang tritt ein.

Ich denke, dies ist eine natürliche Entwicklung der Zivilisation, die sich weiter verstärken wird,
aber auch für die Gesellschaft gar nicht so negativ ist, wie sie sich auf den ersten Blick anhört, wenn man in dieser Phase mit den verschiedenen Entwicklungen der Demographien weise umgeht.

Die Phase der Bevölkerungsexplosion kann überwunden werden und dreht sich überall auf der Welt genau dort ins Gegenteil, wo sich die Lebensbedingungen deutlich verbessert haben.

Das sagt z.B. auch folgende Tabelle aus:
(sortiert nach: Geburten pro 1000 Einwohner pro Jahr):

Niger: 48
Uganda: 47
Afghanistan: 47
Mali: 46
Tschad: 45
Somalia: 45
Kongo: 44
Angola: 44
...
Malediven: 35
Sudan: 35
Pakistan: 30
Paraguay: 29
...
Welt-Durchschnitt: 20
...
Nord-Korea: 16
Argentinien: 16
Brasilien: 16
Iran: 16
Türkei: 16
Grönland: 15
Chile: 15
...
Taiwan: 12
Zypern: 12
...
Spanien: 10
Finnland: 10
England: 10
Belgien: 10
Schweden: 10
EU-Durchschnitt: 10
Süd-Korea: 10
Griechenland: 9
Schweiz: 9
Monaco: 9
Japan: 9
Deutschland: 8
Italien: 8
Österreich: 8

Quelle: http://www.cia.gov/c...r/2054rank.html
(Stand: Dezember 2004. Die Quelle verändert sich, da sie laufend aktualisiert wird)

Das sind jetzt ein paar mehr oder weniger eindeutige Beispiele.
Denn Staaten wie die USA (14 Geburten pro 1000 Einwohner pro Jahr) müßte man für diese Statistik erst in einzelne einheitliche Regionen zerlegen.

#2 John Schloendorn

  • Guest, Advisor, Guardian
  • 2,542 posts
  • 157
  • Location:Mountain View, CA

Posted 23 April 2005 - 03:03 AM

Ich finde wichtiger als das Ueberbevoelkerungs Argument ist eigentlich sein naher Verwandter, das Argument der fehlenden Kinder. Dieses zum ersten Mal Entdecken der fundamentalsten Zusammenhaenge des Lebens ist schon etwas wunderschoenes, das umso seltener werden wird, je besser wir das Sterben einschraenken. Wenn die unbestimmte Lebensverlaengerung weitgehend akzeptiert wird ist es zwar zweifelhaft, ob es Ueberbevoelkerung geben wird, aber dass die Kinder verschwinden werden ist garantiert. (Interessanterweise habe ich dieses Argument noch nie von einem Lebensverlaengerungsgegner gehoert...)

Ich kann mir vorstellen, dass eine ganze Menge Leute so weit gehen wuerden, sich selbst zu opfern, damit eine solche Welt durch ein Kind bereichert werden kann.

#3 caliban

  • Admin, Advisor, Director
  • 9,152 posts
  • 587
  • Location:UK

Posted 23 April 2005 - 02:15 PM

das Argument der fehlenden Kinder.


Was hast Du den fuer seltsame Zukunfstsvisionen John? [huh]

Wenn ich Dich nicht missverstanden habe scheinst Du von einer Gesellschaft auszugehen in der "Kindermachen" verboten ist, es sei denn jemand stirbt und macht damit "Platz" frei?
Das haben durchaus viele Gegner behauptet, aber ich dachte nie, dass jemand sowas ganz ernst nehmen koennte?

Das einzige Problem das es mit "Kindermachen" geben wird, ist unkontrolliertes Kopieren von Individuen in Digitalzeitalter und jede Menge Menschenrechts/Erziehungsstreitigkeiten bezueglich Biogenesis.


Ich will das Thema an sich nicht beseiteschieben, (deswegen hat es eine eigenes Kapitel bekommen) weil fuer fast alle die noch nie ueber drastische Lebensverlaengerung nachgedacht haben "Ueberbevorlkerung" der allererste Reflex ist.

Deswegen ist es wichtig das geduldig und mit viel Faktenwissen zu entkraeften.

sponsored ad

  • Advert

#4 John Schloendorn

  • Guest, Advisor, Guardian
  • 2,542 posts
  • 157
  • Location:Mountain View, CA

Posted 24 April 2005 - 10:54 AM

Wenn ich Dich nicht missverstanden habe scheinst Du von einer Gesellschaft auszugehen in der "Kindermachen" verboten ist, es sei denn jemand stirbt und macht damit "Platz" frei?
Das haben durchaus viele Gegner behauptet, aber ich dachte nie, dass jemand sowas ganz ernst nehmen koennte?


Ok sorry, ich kenne keinen, wer ist das denn so? Auf kurze Zeit mag es schon sein, dass das Wegfallen des altersbedingten Todes die bereits jetzt in den Himmel schiessenden menschlichen Bevoelkerungszahlen nicht allzusehr verschlimmern kann. Die carrying-capacity der Erde ist bestimmt noch nicht ausgeschoepft und siehe vor allem auch Matthias' ueberzeugende Argumente und Zahlen.
Aber auf Dauer neigen exponentielle Wachstumskurven naturgemaess zur Eskalation. Was auch immer passiert, und wie auch immer wir in ferner Zukunft leben werden, ohne den Tod wird es keinen Platz fuer eine Form der Reproduktion geben, die der jetzigen annaehrnd aehnelt. Oder wo wuerdest du die kids hinstecken?
"Kopieren von Individuen in Digitalzeitalter" braucht ebenso Speicherplatz wie biologische Koerper. Du muesstest also Speicherplatz fuer immer schneller wachsen lassen als Individuen beschliessen, sich zu kopieren. Ausserdem ist unklar ob das "Digitalzeitalter" ueberhaupt rechtzeitig erreicht werden kann, und ob wir es ueberhaupt wollen wenn wir soweit sind.

Wenn diese Gedanken heute jemanden beunruhigen, weil er Kinder viel toller findet als ewige selbst-Verbesserung und Anhaeufung von computer-power - fair enough, da kann man nix mehr sagen, oder doch?!

Natuerlich darf mir niemand vorschreiben, dass ich zu sterben habe, um seinem/ihrem Kind Platz zu machen. Aber umgekehtr muss ich auch solche Leuten ihre persoenlichen Werte selbst setzen lassen.

#5 karl_bednarik

  • Guest
  • 436 posts
  • 105
  • Location:Wien, Oesterreich (Vienna, Austria)

Posted 08 July 2005 - 02:54 PM

Hallo an alle,

wenn zwei Personen im Durchschnitt 1,9 Kinder erzeugen, also dass ein Vermehrungsfaktor von 0,95 besteht, dann ist der unendliche Grenzwert (Limes) der Weltbevölkerung nur zwanzig mal groesser als heute.

In den Industrielaendern haben wir momentan einen Vermehrungsfaktor von 0,8, und in Deutschland sogar nur von 0,7 Kindern pro Person, was auch nach unendlich vielen Generationen nur eine fuenf- bis 3,33-fache Bevoelkerung bewirken wuerde.

Die Formel für den Grenzwert: Limes = 1 / ( 1 - Vermehrungsfaktor ).

Vermehrungsfaktoren die auch nur ein klein wenig groesser als eins sind, führen zwangslaeufig zu einer Katastrophe, weil jede Exponentialfunktion nach einer gewissen Anfangszeit steiler ansteigt, als eine kubische Parabel, die den Volumsgewinn bei lichtschneller Ausdehnung in den Weltraum beschreibt.

Jedes unsterbliche Paar kann also ohne schlechtes Gewissen ein bis zwei Kinder bekommen, und das bis in die fernste Zukunft hinein.

Ein interessantes Modell waere zusaetzlich noch, dass die jungen Menschen auf der Erde leben, und die alten, weisen Unsterblichen in Weltraumhabitate und interstellare Raumschiffe umsiedeln.

In der christlichen Mythologie kommt man ja auch nach dem Tode in den Himmel. In der englischen Sprache gibt es einen Unterschied zwischen heaven (religioes) und sky (physikalisch).

Mit freundlichen Gruessen,
Karl Bednarik.

#6 karl_bednarik

  • Guest
  • 436 posts
  • 105
  • Location:Wien, Oesterreich (Vienna, Austria)

Posted 08 July 2005 - 07:26 PM

Hallo an alle,
hier kommt noch ein Nachtrag zur Sicherheitsproblematik:

http://www.gen.cam.a...ens/time-de.htm
So weit ich weiss, hat Aubrey de Grey ausgerechnet, dass die mittlere Lebenserwartung von biologisch Unsterblichen ungefaehr tausend Jahre betragen koennte.

Aubrey de Grey ging davon aus, dass die toedliche Unfallswahrscheinlichkeit fuer Jugendliche in einer relativ sicheren Umgebung rund ein Tausendstel pro Jahr betraegt.

Die logische Folge dieser Ueberlegung ist, dass man wesentlich hoehere Sicherheitsmassstaebe anlegen wird muessen, wenn man wesentlich laenger leben will.

Auch bei sehr hohen Sicherheitsmassstaeben kann es geschehen, dass besonders dumme Zufaelle ein menschliches Leben beenden.

Deshalb wird auch ein Vermehrungsfaktor von eins, also zwei Kinder fuer ein unsterbliches Paar, nicht zu einer linear in die Unendlichkeit anwachsenden Menschheit fuehren.

Rein technologisch kann man dazu sagen, dass normalerweise eine lineare Erhoehung des technischen Aufwandes eine exponentielle Erhoehung der Sicherheit nach sich zieht.

Nur zum Beispiel kann ein lediglich zu neunzig Prozent zuverlaessig funktionierendes Geraet beim zweifachen Hintereinanderschalten zu 99 Prozent zuverlaessig werden, und beim dreifachen Hintereinanderschalten zu 99,9 Prozent zuverlaessig werden, und so weiter...


Mit freundlichen Gruessen,
Karl Bednarik.

Edited by Matthias, 09 July 2005 - 04:14 PM.


#7 Lothar

  • Guest
  • 221 posts
  • 23
  • Location:Berlin/Germany

Posted 20 July 2005 - 02:57 PM

Hallo Karl,

auch von mir noch ein Willkommensgruß und schön, daß du auch den Weg zu Imminst gefunden hast. Hat mich aber auch schon gewundert, denn hier dürftest du wesentlich mehr Zustimmung oder zumindest qualifizierte Resonanz ernten, als auf 1000fragen.de. Natürlich ist es immer verdienstvoll, 'missionarisch' tätig zu sein... ;-) ...aber für mich macht es nur sehr begrenzt Sinn, sich in einem solch oberflächlichen und vor allem auch unsystematischen Forum wie 1000fragen.de mit längeren und engagierteren Beiträgen zu beteiligen. Dafür ist der schriftliche Ausdruck einfach eine zu aufwendige Mitteilungsform, als daß es einem egal sein könnte, ob die eigenen Texte in einem Wust von belanglosem, einfältigem oder ideologisch voreingenommenem auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Außerdem denke ich sowieso, daß Ethik/Moral als Kernfocus des 1000Fragen-Projekts und egal, welche inhaltlichen Positionen man im einzelnen dazu einnimmt, immer nur eine abgeleitete Ebene darstellt, weil sich ethisch-moralische Grundüberzeugungen nur auf einer tieferen weltanschaulich-philosophischen oder religiösen Ebene begründen lassen. Die ist aber selbst jenseits von ethisch-moralischer Wertsetzung und hat mehr damit zu tun, in welcher Art von höchster Realität oder 'wirklicher Wirklichkeit' man zu leben glaubt...

Zum Thema Überbevölkerung ließe sich noch eine Menge sagen, wobei man wohl zwei Dinge grundlegend auseinanderhalten muß. Zum einen handelt es sich ganz unabhängig von der Frage der Lebensverlängerung und körperlichen Unsterblichkeit um ein fundamentales Problem der Menschheit, das eine ganz eigenständige Bedrohung der weiteren menschlichen Entwicklung und gewissermassen eine weitere Todesursache auf kollektiver Ebene darstellt, wenn man die zwangsläufigen politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen in Rechnung stellt. Zum anderen wird sie immer wieder als zentrale Folge einer möglichen fulminanten Lebensverlängerung vorgetragen, um das Streben nach letzterem vehement zu kritisieren. Wie ich einleitend in dem Strang, aus dieser Thread hier ausgeschnitten wurde, aber schon schrieb, halte ich nach langjähriger Erfahrung gerade letzteres als Einwand gegen die körperliche Unsterblichkeit in der Regel für vorgeschoben, von Leuten, die auf ziemlich geringer Wissensbasis und aus ganz anderen Gründen dagegen sind und glauben, hier ein billiges Argument finden zu können. Die Auseinandersetzung damit lohnt daher nicht wirklich oder nimmt meist einen unerquicklich unsachlichen und polemischen Verlauf. Die wichtigsten Gegenargumente hast du (aber auch die anderen weiter oben) außerdem ja schon benannt bzw. wiederholst sie (auf 1000fragen.de) kontinuierlich (aber allein, DASS du sie wiederholen mußt, zeigt schon an, daß es dort keinen wirklichen Erkenntnisfortschritt gibt): Die Geburtenrate ist in den entwickelten Ländern mit den hohen Lebenserwartungen längst auf einen Wert gefallen, der zu einem Sinken der Bevölkerung geführt hat, das Problem besteht eben erst mal unabhängig von der Ausdehnung der Lebensalter, wird gerade von den höchst sterblichen Menschen produziert, hat ganz bestimmte mathematische Gesetzmäßigkeiten, die seine Dynamik regieren oder könnte langfristig auch noch durch Expansion in den Weltraum gelöst werden usw.

(Für das bestehende und sich zuspitzende Problem halte ich die Weltraumoption allerdings für völlig unrealistisch, weil wir den aktuellen globalen Trend innerhalb der nächsten paar Jahrzehnte stoppen und umkehren müssten, während unsere Raumfahrttechnologien und materiellen Ressourcen für diesen Zeitraum noch zu unterentwickelt sind, vom politischen Willen ganz abgesehen. Siehe das Space-Shuttle Desaster oder die mangelnde Begeisterung für ein bemanntes Mars-Projekt etc. Denke allerdings sowieso, daß es einfacher und auch billiger sein müsste, erstmal künstliche Habitate in entlegenen Regionen hier auf der Erde anzulegen o.ä., bevor man den Schritt in den Weltraum geht, aber auch das scheint mir völlige Zukunftsmusik zu sein, angesichts der Dringlichkeit des Problems und viel einfacherer Alternativen.)

Die Gründe für den bisherigen Bevölkerungsanstieg sind jedenfalls vielfältig und komplex und werden von Experten vor allem in folgenden Faktoren gesehen: verbesserte Hygiene, bessere medizinische Versorgung und resultierende sinkende Säuglingssterblichkeit, mangelnde Aufklärung und Bildung von Frauen in den Entwicklungsländern, geringe Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln, patriarchale Strukturen, die die Frauen in Abhängigkeit halten, konservative Sexualmoral und traditionelle Religion, die diese Sexualmoral stützt und schließlich unfähige und korrupte Regierungen und Bürokratien in unterentwickelten Ländern ohne Altersversorgung, in denen die Zahl des Nachwuchses den sozialen Status, den materiellen Wohlstand und die eigene Altersabsicherung garantiert. Diese Faktoren sind zwar tatsächlich vielfältig und komplex ineinander greifend, aber verstehbar und beherrschbar, wie eine ganze Reihe positiver Beispiele und allen voran China zeigt.

Am interessantesten finde ich deinen Hinweis auf diese mathematischen Proportionen und Dynamiken, die eben auch die aktuelle Bevölkerungsentwicklung bestimmen, wobei ich schon länger darüber nachdenke, wie man das anschaulich übersetzen könnte. Bis jetzt ist mir leider aber noch kein passender Vergleich eingefallen!?

Deine wiederholten Rechnungen, daß sogar jedes potentiell unsterbliche Paar ein bis zwei Kinder bekommen könnte, ohne daß es mittel- und langfristig zu dramatischen Steigerungen der Bevölkerungszahlen käme, verstehe ich allerdings nicht. Angenommen sämtliche 6 Milliarden Menschen (6,5 sind es nach einer aktuellen Studie schon) wären mit einem Schlag 'unsterblich', d.h. sie würden von heute auf morgen nicht mehr altern (was in dieser abrupten Form ohne jegliche längere Übergangsfrist ganz sicher nicht passieren wird) und bekämen je ein Kind (=3 Milliarden Paare bekommen je zwei Kinder), dann hätten wir 12 Milliarden Menschen und nach 30 Jahren bekämen die Kinder wiederum 2 Kinder, dann wären es schon 18 usw. - minus dem Prozentsatz an Menschen, der an nicht altersbedingten Todesursachen stirbt. Also mir scheint schon bei ziemlich oberflächlicher Rechnung, daß auch ein gemäßigtes Fortpflanzungsverhalten unter der zentralen Voraussetzung drastisch reduzierter Sterblichkeit in relativ kurzen Zeiträumen von weniger als 100 Jahren zu einem massiven Anstieg der Bevölkerung führen würde, die wir auch mit einem weiteren gemäßigten Wachstum unserer technisch-ökonomischen Möglichkeiten nicht bewältigen könnten!??

Wie gesagt, eine solche abrupte Reduzierung der allgemeinen Sterblichkeit (und ohne gleichzeitige Veränderung des Fortpflanzungsverhaltens!) halte ich aus verschiedensten Gründen für völlig unwahrscheinlich - wenn auch nicht für unmöglich - aber da dies der Kernaspekt des Arguments der Gegner in dieser Hinsicht darstellt, wollte ich zumindest die mathematischen-abstrakten Zusammenhänge doch noch einmal genauer nachfragen.

Generell denke ich sowieso, daß der Einwand Überbevölkerung als Argument gegen die Langlebigkeit die grundsätzliche Struktur vieler analoger Kritikpunkte aufweist, nach der wir besser heute sterben sollen, anstatt an Folge x, y oder z verschiedener Überlebensstrategien morgen oder übermorgen zu sterben. Das ist allein deshalb schon fundamental widersprüchlich, weil das Argument des Überlebens ja selbst zum zentralen Beurteilungskriterium gemacht wird, allerdings in einer minderen und schwächeren Form weil mit einer geringeren Lebenserwartung versehen! Dieser widersprüchlich-irrationale Umgang mit der ganzen Problematik läßt sich meiner Meinung nach nur unter psychologisch-existentiellen Gesichtspunkten wirklich angemessen verstehen - von den im Hintergrund meist verdeckt bestehenden religiösen Grundüberzeugungen ganz abgesehen, die allerdings nur bei einem Teil der Kritiker bestehen - denn gerade das Thema Überbevölkerung stellt eine perfekte Projektionsfläche für Sexualität, intime Beziehungen und den persönlichen Kinder- bzw. Familienwunsch dar! Zwischen Fremden und im Internet läßt sich darüber aber wiederum im Grunde nicht wirklich frei und offen diskutieren, weil man dafür seine intimsten Wünsche, Sehnsüchte, Ängste und Erfahrungen preisgeben müßte, was ja schon im richtigen Leben nur unter besonderen Voraussetzungen möglich ist. Deine auf 1000fragen.de hier öfters vertretene Kompromisslinie der friedlichen Koexistenz zwischen Menschen mit und Menschen ohne Kinder hat mir dabei immer sehr gut gefallen. Das tiefere praktisch-politische Problem dürfte hier allerdings in der Frage bestehen, die unabhängig von der Lebensverlängerung aktuell heiß diskutiert wird, warum im bestehenden System des Umlageverfahrens Menschen mit Kindern die Renten von Menschen ohne Kinder mitfinanzieren sollten!? Natürlich ist das Prinzip Rente in der Perspektive körperlicher Unsterblichkeit prinzipiell obsolet, aber solange letzteres nur eine vage Zukunftshoffnung ist und angesichts mindestens zu erwartender vehementer Übergangs- und Anpassungsprobleme soll die Sache hier doch wenigstens einmal erwähnt sein.

Ich glaube weiterhin, daß der Wunsch nach körperlicher Langlebigkeit und der persönliche Kinderwunsch sich tendenziell psychologisch ausschließen. Nicht zwangsläufig und nicht in jedem Einzelfall aber als generelle Grundtendenz, etwa in dem Sinne: traditionell 'verjüngen' sich die Menschen in ihren Kindern und opfern dabei in gewisser Weise ihr Leben, modern wollen sie sich selbst verjüngen und verändern, was ihnen wahrscheinlich genau in dem Maße gelingt, wie sie ebenfalls alte und abgestorbene Anteile ihrer 'Identität' fortlaufend opfern, um sich permanent verwandeln und dem Neuen öffnen zu können. (Siehe z.B. auch das Kapitel in De Marchis 'Der Urschock - Unsere Psyche, die Kultur und der Tod' über den Kinderwunsch als Abwehr der Todesangst.) Der von den Gegnern hier gerne erhobene Vorwurf des Egoismus und der Ichsucht läuft daher ins Leere bzw. ist eine reine Projektion, denn es sind ja auch erstmal die sterblichen(!) Individuen, die sich mit ihrem Ich in tödlicher Konsequenz identifizieren - siehe z.B. die resultierenden permanenten Generationskonflikte, gerade zwischen Eltern und Kindern etc. - während ein Unsterblichkeitsanhänger genau diese kontinuierliche Ich-Transformation und damit auch Öffnung hin zu anderen Menschen leisten muß, wenn er sein Leben wirklich in eine größere zeitliche Ferne fortsetzen will. Auch der gerne im Zusammenhang geäußerte Vorwurf der mangelnden Innovation bei sinkenden Geburten geht daher ebenfalls ins Leere, denn es sind nur die mit ihrem baldigen Tod rechnenden Menschen, die im höheren Alter geistig stagnieren. Die Gegner haben mit ihren übertriebenem Egoismusvorwurf nur insofern 'Recht', daß der Wunsch nach körperlicher Unsterblichkeit tatsächlich auf einer gesteigerten Wertschätzung des konkreten einzelnen Individuums aufbaut, das nicht mehr bloße ichschwache Verfügungsmasse für die Machtprojekte traditioneller Moralinstanzen, Autoritäten und Ideologen sein will sondern sich im Zusammenleben mit Gleichgesinnten und untereinander Gleichberechtigten selbständig weiterentwickelt. Zwischen moralisierend erzwungenem und selbstbestimmt freiheitlichem Altruismus gibt es dabei einen fundamentalen Unterschied, ungefähr so wie zwischen 'ich will doch nur dein bestes' und 'ich liebe dich'.

Zum Thema 'Sicherheit': was das Sichermachen von technischen Systemen angeht, stimme ich dir prinzipiell zu, aber die Hintereinanderschaltung von sich selbst kontrollierenden automatischen Systemen stößt natürlich schnell an ökonomische, damit auch an psychologisch-politische Grenzen und würde auch zu einer Innovationsbremse führen, weil der Lebenszyklus von Geräten um so länger sein müßte, je teurer der materielle Aufwand zu ihrer Herstellung ist. Daran scheitert letztlich schon die traditionelle Kerntechnik, weil der Sicherheitsaufwand, der angesichts möglicher Risiken, Katastrophen und Folgeschäden betrieben werden muß, einfach zu groß ist, um in der Konkurrenz mit anderen Energiealternativen noch ökonomisch bestehen zu können. Daß die Kernindustrie das anders sieht, ist verständlich, weil sie ja auch nur betriebswirtschaftliche Logiken verfolgt, während man politisch-allgemein volkswirtschaftliche Kosten in Rechnung stellen muß, die um ein vielfaches höher sind. Ansonsten sprichst du hier nur die Todesursache 'Unfall' an, aber die ist natürlich generell nur ein kleineres Segment im Spektrum aller Todesursachen, in dem nicht-altersbedingte und z.B. verhaltens- und einstellungsbedingte Krankheiten oder auch menschliche Gewalt einen großen Teil ausmachen, die vom technischen Fortschritt erstmal ziemlich unberührt bleiben.

Die von dir angeführten bzw. zitierten Annahmen über die potentielle Lebenserwartung, wenn wir beispielsweise das Altern morgen komplett überwinden könnten, sind dabei prinzipiell nur statistisch-mathematische Konstrukte und Extrapolationen auf Basis vergangener und gegenwärtiger Fakten. Sie haben durchaus eine gewisse analytische Aussagekraft über die aktuellen Möglichkeiten, aber man sollte sie niemals als wirkliche Aussage über die zukünftige Entwicklung ansehen, weil qualitative Sprünge sowohl in der positiven wie in der negativen Richtung nun einmal nicht prognostizierbar sind. (Wer hat schon den Mauerfall vorhergesagt oder man denke an eine entsprechende Studie über die Lebenserwartung seiner Zeitgenossen, die ein Experte am Abend des 31. August 1939 fertiggestellt hätte. Die wäre schon am nächsten Tag im Mülleimer gelandet etc.pp. ) Michael Fossel hat eine ähnliche Rechnung wie de Grey schon 1996 in seinem Buch 'Das Unsterblichkeitsenzym' angeführt und kam, glaube ich, auf eine Lebenserwartung von 800 Jahren, aber wie gesagt: das ist alles nur spekulative Demographie, die auch nie die höchst individuelle Lebenssituation und die persönlichen Überlebensstrategien in den Blick nehmen kann, auf die es subjektiv gerade und ganz entscheidend ankommt!

Manchmal habe ich den Eindruck - nicht bei dir, aber bei einigen Teilnehmern hier im englischsprachigen Hauptforum - daß manche Leute die 'durchschnittliche Lebenserwartung' für individuell gesetzlich garantiert halten und wogegen man bei Nichteinhaltung vor irgendeinem Gericht klagen könnte. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber nur um eine höchst allgemeine statistische Aussage, in die die heterogensten und widersprüchlichsten Einflüsse eingehen und die die permanente aktive Lösung höchst konkreter und praktischer Lebensaufgaben voraussetzt, individuell wie kollektiv. Körperliche Langlebigkeit und biologische Unsterblichkeit kann sich - ganz allgemein gesprochen - immer nur organisch dort anschließen und fortsetzen, sie darf aber den gegenwärtigen Erfordernissen, Dringlichkeiten und kurzfristigeren Prioritäten nie in die Quere kommen, z.B. in dem man in einer Art eindimensionaler Thematisierung der Alternsforschung und verwandter Gebiete die aktuellen Alltagsrealitäten, Macht- und Entscheidungsstrukturen oder öffentlichen Debatten ausblendet, abwertet oder in sonstiger relevanter Weise vernachlässigt. Ansonsten läuft das ganze immortalistische Engagement auf etwas absurdes und lebensfremdes hinaus, als ob man - frei nach Chruschtschow - die durchschnittliche Lebenserwartung überholen wollte, ohne sie einzuholen, und da weiß man ja auch, wie das historisch ausgegangen ist... :-)

Beste Grüsse,
Lothar

#8 Matthias

  • Topic Starter
  • Guest
  • 851 posts
  • 289
  • Location:.

Posted 21 July 2005 - 11:18 AM

Deine wiederholten Rechnungen, daß sogar jedes potentiell unsterbliche Paar ein bis zwei Kinder bekommen könnte,

Das ist wohl so gedacht:

Die folgende Aussage gilt unabhängig von der Lebenserwartung der Menschen einer Region:

"Die Bevölkerungszahl einer (abgeschlossenen) Region bleibt konstant, wenn dort jedes Paar zwei Kinder bekommt und dann irgendwann stirbt."

D.h. diese Aussage gilt sowohl für eine Region, in der die Lebenserwartung 75 Jahre beträgt als auch für eine Region, in der die Lebenserwartung 1000 Jahre beträgt.

So weit ich weiss, hat Aubrey de Grey ausgerechnet, dass die mittlere Lebenserwartung von biologisch Unsterblichen ungefaehr tausend Jahre betragen koennte.

D.h. "unsterblich" bedeutet hier "1000 Jahre", da alle biologisch Unsterblichen rein statistisch früher oder später einem Unfall, einem Blitz oder Gewalt o.ä. zum Opfer fallen würden.

Zu einer Bevölkerungszunahme kommt es in dieser besagten Region also nur in der Übergangsphase während die Lebenserwartung von 75(?) auf 1000 ansteigt.

Und zwar um Faktor 20 in Teilregionen, die 1,9 Kinder pro Paar haben, und sogar nur um Faktor 3,33 in Teilregionen, bei denen 1,4 Kinder üblich sind.

#9 Lothar

  • Guest
  • 221 posts
  • 23
  • Location:Berlin/Germany

Posted 21 July 2005 - 01:18 PM

Hm... verstehe... Ich habe sowieso das Gefühl, daß die ganze Überbevölkerungsproblematik mit der jeweiligen Dynamik von Übergangsphasen zu tun hat, denn am katastrophalsten wäre wohl ein extremer und abrupter Durchbruch auf dem Langlebigkeitssektor, während das Fortpflanzungsverhalten noch Jahrzehnte die traditionelle Form aufwiese. Dein 'nur' wäre im Einzelfall dann eine starke Untertreibung, schließlich wäre auch 'nur' eine Verdreifachung der Erdbevölkerung katastrophal, wenn sie in einem Zeitraum von wenigen Jahrzehnten geschähe. Alles hängt aber auch davon ab, wie sich die technischen Möglichkeiten oder ökologischen Rahmenbedingungen im gleichen Zeitraum entwickeln, und das ist noch weniger prognostizierbar als die Geburtenrate. Trotz allem habe ich aber auch für den schlimmsten Fall immer noch das Gefühl, dass wir es hier mit einem Luxusproblem zu tun hätten, im Gegensatz zur aktuellen Bedrohung (obwohl selbst da an sich positive Entwicklungen z.B. auf dem Gebiet der Medizin und Säuglingshygiene miteingehen), also mit etwas, das prinzipiell lösbar sein muß.

Edited by Lothar, 21 July 2005 - 02:25 PM.


#10 karl_bednarik

  • Guest
  • 436 posts
  • 105
  • Location:Wien, Oesterreich (Vienna, Austria)

Posted 21 July 2005 - 03:53 PM

Hallo an alle,

eine Tabelle fuer einen Vermehrungsfaktor von 0,8,
wie er in den Industrielaendern allgemein ueblich
ist, und mit voellig unfallfreien Unsterblichen:

Ge … Kinder … Gesamt
1 … 1,00000 … 1,00000
2 … 0,80000 … 1,80000
3 … 0,64000 … 2,44000
4 … 0,51200 … 2,95200
5 … 0,40960 … 3,36160
6 … 0,32768 … 3,68928
7 … 0,26214 … 3,95142
8 … 0,20972 … 4,16114
9 … 0,16777 … 4,32891
10 … 0,13422 … 4,46313
11 … 0,10737 … 4,57050
12 … 0,08590 … 4,65640
13 … 0,06872 … 4,72512
14 … 0,05498 … 4,78010
15 … 0,04398 … 4,82408
16 … 0,03518 … 4,85926
17 … 0,02815 … 4,88741
18 … 0,02252 … 4,90993
19 … 0,01801 … 4,92794
20 … 0,01441 … 4,94235

Mit freundlichen Gruessen,
Karl Bednarik.

#11 Matthias

  • Topic Starter
  • Guest
  • 851 posts
  • 289
  • Location:.

Posted 24 July 2005 - 09:00 PM

Bei Vermehrungsfaktor 0,8 konvergiert die Bevölkerungszahl tatsächlich gegen

1
--------------- = 5,00000
1 - 0,8

, ohne daß ein einziger dabei sterben muß.
Das scheint auf den ersten Blick unmöglich, aber auf den zweiten Blick ist es logisch, da die Anzahl der zusätlichen Einwohner von Generation zu Generation stets um einen konstanten Faktor abnimmt (und nicht etwa sich verändernd wie bei Log- oder Wurzelfunktion).

Wenn wir mal die 1 (also die 1,00000) in der Liste als 100000 auffassen und davon ausgehen, daß ein Paar durchschnittlich 1,6 Kinder bekommt (d.h. jeder Mensch vermehrt sich mit dem Faktor 0,8), dann leben in der zweiten Generation 100000 Eltern plus 80000 Kinder = 180000 Menschen. Die 80000 bekommen 64000 Kinder, diese 64000 bekommen aber nur noch 51200, usw.

20 ... 1441 ... 494235
21 ... 1153 ... 495388
22 ... 922 ... 496310
23 ... 738 ... 497048
24 ... 590 ... 497638
25 ... 472 ... 498110
26 ... 378 ... 498488
27 ... 302 ... 498790
28 ... 242 ... 499032
29 ... 194 ... 499226
30 ... 155 ... 499381
31 ... 124 ... 499505
32 ... 99 ... 499604
33 ... 79 ... 499683
34 ... 63 ... 499746
35 ... 50 ... 499796
36 ... 40 ... 499836
37 ... 32 ... 499868
38 ... 26 ... 499894
39 ... 21 ... 499915
40 ... 17 ... 499932
41 ... 14 ... 499946
42 ... 11 ... 499957
43 ... 9 ... 499966
44 ... 7 ... 499973

... bis 500000 als endgültige Einwohnerzahl erreicht ist und (in diesem Modell ohne Unfall etc.) ewig erhalten bleibt.

Edited by Matthias, 25 July 2005 - 10:15 AM.


#12 John Schloendorn

  • Guest, Advisor, Guardian
  • 2,542 posts
  • 157
  • Location:Mountain View, CA

Posted 26 July 2005 - 05:14 AM

Die 0,8 kommt aber aus einem Szenario wo Leute innerhalb ihrer Lebensspanne nur eine zeitlich sehr begrenzte Moeglichkeit haben, sich fortzupflanzen (e.g. von Lebensjahr 15 bis 60 = 45 Jahre). Durch unendliche Lebensverlaengerung bei perfekter Gesundheit wuerde dieser Zeitrahmen ins unendliche verlaengert. Eure Rechnungen basieren daher auf der (meiner Meinung nach etwas gewagten) Annahme, dass sich ein Unsterblicher, der sich dauernd wie 20 fuehlt nach seinem chronologisch 60. Lebensjahr niemals mehr fortpflanzt.

Wenn diese Annahme nicht haelt, sollte die 0,8 neu aufgefasst werden, nicht als "Vermehrungsfaktor pro Einwhoner", sondern als "Vermehrungsfaktor pro Einwohner pro 45 Jahre". Bei 1000 Jahren Lebensspanne waere das ein Vermehrungsfaktor pro Einwohner von 0,8 * (1000/45) = 17,8 und dazu kommen noch all die neuen Einwohner, die sich auch alle in 1000 Jahren um 17,8 vermehren. Da haben wir ganz schnell ein exponentielles, ewig beschleunigendes Bevoelkerungwachstum zurueck.

Wenn wir uns wirklich immer wie 20 fuehlen sollten wir vielleicht sogar nicht 0,8 pro 45 Jahre als basis nehmen sondern den Faktor fuer 20-jährige pro 1 Jahr, und der ist wahrscheinlich noch groesser als die 17,8 wenn man ihn auf 1000 Jahre extrapoliert.

#13 Lothar

  • Guest
  • 221 posts
  • 23
  • Location:Berlin/Germany

Posted 27 July 2005 - 03:38 PM

Den Einwand von John hatte ich mir letzte Woche auch schon mal durch den Kopf gehen lassen, ihn aber nach längerem Nachdenken wieder verworfen. Angesichts der psychologischen, politischen und ökologischen Probleme, um die es beim Thema Überbevölkerung in der aktuellen und anhaltenden Ausseinandersetzung mit Gegnern der biologischen Unsterblichkeit wirklich geht, ist das ein völlig nachrangiger Punkt. Die Einsichten und Erläuterungen von Karl und Matthias führen ins anschauliche übersetzt schließlich doch zu folgendem:

1. Bei einer Geburtenrate von durchschnittlich 1,6 Kinder pro Paar (oder 0,8 pro Person) läuft die Zahl der Gesamtbevölkerung mittel- und langfristig auf einen Grenzwert hinaus!

2. Das bedeutet, dass jedes bereits lebende Paar mindestens ein Kind bzw. jedes zweite Paar mindestens zwei Kinder bekommen kann, ohne dass die Gesamtzahl aller Menschen ins Unermessliche steigt und die Erde automatisch aus allen Nähten platzt, wie es von Gegnern immer wieder und stereotyp eingeworfen wird.

3. Da die Zahl der hinzukommenden Menschen in zunehmender Progression immer kleiner wird, gilt das auch für alle erst später geborenen, d.h., jeder heutige und sogar jeder zukünftige Mensch kann einen vorhandenen Kinderwunsch prinzipiell befriedigen und wird KEINESWEGS vor die Alternative Kinder oder Unsterblichkeit gestellt, wie es auch jetzt wieder im aktuellen SPIEGEL-Artikel über Aubrey de Grey falsch verallgemeinernd heißt!! (Die Autorin knüpft da allerdings auch an Aussagen von ihm selbst an, wenn ich die entsprechenden Passagen auf seiner Homepage richtig in Erinnerung habe.)

4. Da auch weiterhin nicht jeder Kinder bekommen will oder z.B. aus medizinischen Gründen kann, und da es unwahrscheinlich ist, dass die Sterblichkeit abrupt bzw. aus anderen nicht-altersbedingten Gründen völlig auf Null fällt, dürfen viele Paare in einer Übergangszeit oder generell sogar drei Kinder bekommen, in selteneren Ausnahmefällen sogar mehr als drei.

5. Das allertollste: eine Geburtenrate von 1,6 pro Kind EXISTIERT bereits in vielen wohlhabenderen Ländern dieser Erde und ist keine utopische Spinnerei sondern empirische Realität! Und das ganz ohne politischen Zwang oder gesellschaftlichen Druck, als ob der Kinderwunsch mit steigender durchschnittlicher Lebenserwartung ganz automatisch nachlässt oder als ob die Menschheit sich auf die kommende Langlebigkeit insgeheim schon vorbereiten würde! Politischer Druck und eine repressive Familienpolitik wie in China oder Indien war dagegen bislang Ländern vorbehalten, die mit viel höheren Geburtenraten zu kämpfen hatten.

6. Man kann das zunächst tatsächlich seltsam aussehende Grenzwertphänomen, wie Matthias ganz richtig anmerkt, auch von folgenden zwei Seiten noch einmal veranschaulichen: Eine Geburtenrate von 1,6 Kindern pro Paar würde bei gegebener Sterblichkeit schließlich mittel- und langfristig zu einem drastischen BevölkerungsRÜCKGANG führen bzw. gar zu einem Aussterben, wie es allenthalben ja auch befürchtet und beschworen wird (wie z.B. gerade vor ein paar Wochen erst wieder in der Titelgeschichte des STERN). Eine parallele Ausdehnung der Lebenserwartung würde diesen Negativtrend daher perfekt ausbalancieren. Oder sozialpsychologisch gesehen: der Kinderwunsch von ZWEI Menschen kann schon durch EIN Kind befriedigt werden, und genau das können wir jedem mit mathematischer Genauigkeit auf jeden Fall schon zubilligen! Darüberhinausgehende Wünsche nach zwei und vor allem drei und mehr Kindern dagegen müssen erst einmal zurückstehen und geraten tatsächlich in einen gewissen Konflikt mit dem Unsterblichkeitswunsch, aber für mein Gefühl ist das einfach ein nebensächliches Problem, weil der Unterschied zwischen keinem und einem Kind psychologisch etwas qualitativ anderes ist, wie der zwischen einem und zwei bzw. zwei und mehr Kindern.

7. Alles obige gilt schon ohne die Weltraumoption. Mit ihr wäre das ganze noch entspannter.

Also ich finde das alles ganz phantastisch und in dieser Deutlichkeit war selbst mir das noch nicht bewußt. Vielen Dank, Karl und Matthias, ich glaube, das ist ein schönes Beispiel für die alte Einsicht, dass die Wahrheit konkret ist, und in diesem Falle besitzt sie sogar mathematische Präzision! Dabei muß ich selbstkritisch die Gegner etwas in Schutz nehme, da - außer Karl - selbst exponierte Verfechter der Unsterblichkeit diesen Punkt in der Vergangenheit noch nicht klar genug herausgearbeitet und angemessen vertreten haben, wie man auch an de Greys Position ablesen kann.

@ John: Nebenbei bemerkt: 'Wie 20' bist du nur einmal im Leben. Du kannst vielleicht wieder den Körper und die körperliche Vitalität eines 20-jährigen erhalten, aber geistig-psychologisch, emotional und auch durch soziale Zuschreibung wirst du tatsächlich immer 'älter', da sich die kontinuierliche Anhäufung von Erfahrung und Einsichten nicht rückgängig machen läßt. Wozu auch, die Aussicht auf immer weitere innere Entwicklung wäre ja gerade eine der Hauptvorteile der Langlebigkeit. Dadurch ist es aber auch extrem unwahrscheinlich, dass psychische Grundhaltungen und Entscheidungsdispositionen, wie sie auch im Zusammenhang mit dem Kinderwunsch bestehen, auf irgendeinem frühen Einstellungsniveau verharren würden. Genauso, wie es schließlich eine abstrakte Möglichkeit gibt, dass einzelne immer weiter Kinder in diese Welt setzen, gibt es eine mindestens gleich große Wahrscheinlichkeit, dass manche ihren Kinderwunsch nicht nur Jahre sondern Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte aufschieben, falls sie ihn nicht sogar ganz verlieren. (Vorausgesetzt, dass die Fortpflanzungsfähigkeit der Frau sich im gleichen Ausmass entwickelt wie die Langlebigkeit, aber hier zumindest ist die Medizin heute schon weiter als bei letzterem.) Letztlich wird das aber sowieso nicht primär individuell sondern vor allem gesellschaftlich und politisch entschieden, aber auch technologisch, denn die ökonomische wie ökologische Tragekapazität der Erde hängt ganz entscheidend von unseren technischen Fähigkeiten in der Energie- und Ressourcenausbeute sowie der Schadstoffvermeidung ab.

#14 John Schloendorn

  • Guest, Advisor, Guardian
  • 2,542 posts
  • 157
  • Location:Mountain View, CA

Posted 28 July 2005 - 09:02 AM

Lothar,
Dein Argument ist spekulativ, aber in meinen Augen plausibel. Man sollte es auf jedenfall zur Sprache bringen wenn man ueber Ueberbevoelkerung redet. Andernfalls koennte dem Gespraechspartner diese reine Mathematik wie ein schlechter Vertuschungsversuch vorkommen.
Leute die das Ueberbevoelkerungs-argument bringen verstehen typischerweise ueberhaupt nichts von "immer weitere innere Entwicklung". Die meisten gehen doch davon aus dass sich der Sinn des Lebens nach Spass in der Jugend, abstumpfen in der Arbeit und Kinder großziehen erschoepft hat. Drum kapieren die das nicht so schnell, dass ewiges Leben ganz andere Sinnmoeglichkeiten eroeffnet. Das muss man Schritt fuer Schritt erklaeren und dein letzter Absatz macht das ganz gut.

#15 John Schloendorn

  • Guest, Advisor, Guardian
  • 2,542 posts
  • 157
  • Location:Mountain View, CA

Posted 28 July 2005 - 09:08 AM

Bevor ich jemandem Wachstumsmathematik oder den Sinn des Lebens an den Kopf werfe fange ich normalerweise an mit dem ungeschlagenen "Soll man denn die Ueberbevoelkerung bekaempfen, indem man Menschen langasm und qualvoll sterben laesst?"

Das verstehen viele komischerweise sofort (Vielleicht weil es gar nicht versucht zu sagen, dass der Advokat des Ueberbevoelkerungsarguments voellig im Unrecht ist). Dadurch kann auch im Gespraechspartner der "Sinn fuer Proportionen" aktiviert werden, der ja normalerweise im Fall der Lebensverlaengerung so erfolgreich abgeschaltet wird. Alles in allem mein Lieblingseinstieg fuer ein zur Abwechslung mal halbwegs sinnvolles Gespraech.

#16 industriestahl

  • Guest
  • 11 posts
  • 0

Posted 07 August 2005 - 10:37 AM

nennt mich einen utopisten (was hier ja vermutlich ein seltsames stigma wäre *g*), aber ich bin der festen überzeugung, dass wir noch vor der langlebigkeit in unserem sinne den weltraum kolonisieren. ich glaube, dass sich dieses "problem" dann langsam selbst regulieren würde, allein schon, weil wir dann nicht mehr an den "kleinen planeten erde" gebunden sind. zudem wird sich dann zeigen, in wie weit unsere DNA dann zu mutieren beginnt.

nur weil man "ewig" leben kann, heisst das nicht, dass man "ewig" leben *muss*. die kinder werden uns bestimmt nicht "aussterben".

#17 karl_bednarik

  • Guest
  • 436 posts
  • 105
  • Location:Wien, Oesterreich (Vienna, Austria)

Posted 08 August 2005 - 04:26 PM

Willkommen industriestahl,

für die Weltraumoption spricht vieles:

Energieverbrauch:
Die Sonne sendet die 2,2-milliardenfache Energiemenge völlig nutzlos an der Erde vorbei, verglichen mit jener Energiemenge, die die Erde trifft und die wir auch kaum nutzen.

Materialverbrauch:
Im kalten, äußeren Sonnensystem und im Kuiper-Gürtel lagern ganze Planeten voller Rohstoffe für das Leben (H2O, NH3, CH4, H2). Im warmen, inneren Sonnensystem und im Planetoiden-Gürtel lagern ganze Planeten voller Rohstoffe für die Technik (Fe, Ni, Al, Si).

Platzverbrauch:
In unserem Universum kommen auf ein Proton rund ein Kubikmeter Raum. Falls das nicht reichen sollte, keine Sorge, es expandiert noch weiter.

Konsequenz:
Unsterbliche verlassen die Erde.

Zur Mutation der DNA:
Weil das menschliche Erbmaterial aus ungefähr drei Milliarden Basenpaaren besteht, ist eine günstige Mutation sehr viel seltener als eine ungünstige Mutation (vom Menschen aus gesehen, geht es in den meisten Richtungen genetisch abwärts, siehe Tschernobyl). Deshalb versucht man mutagene Substanzen und Strahlungen möglichst von seinem Erbmaterial fernzuhalten. Eine positive Möglichkeit der genetischen Veränderung wäre die zielgerichtete Modifikation der DNA durch genetic engineering.

Zur Selektion der DNA:
Die Selektion ist ein Vorgang, der Menschen tötet oder zumindest schwer behindert. Deshalb ist die kulturelle Evolution zielgerichtet dabei, den Selektionsvorgang der biologischen Evolution zu unterbinden. Eine positive Möglichkeit der Selektion wäre die Prä-Implantations-Diagnostik (PID).

Mit freundlichen Gruessen,
Karl Bednarik.

#18 Lothar

  • Guest
  • 221 posts
  • 23
  • Location:Berlin/Germany

Posted 11 August 2005 - 12:05 AM

Hallo Oliver/industriestahl,

auch von mir ein Willkommen auf Imminst. Ich glaube zwar auch, dass die Menschheit längerfristig gesehen den Weltraum besiedeln wird, so etwa ab 100 Jahren aufwärts, wenn wir vorher keine neuen großen Katastrophen produzieren, aber der clou der obigen Ausführungen bestand ja darin, dass das Problem der Überbevölkerung im Kern unabhängig vom Ziel der Lebensverlängerung oder Unsterblichkeit ist! Das erleichtert bestimmte Diskussionen doch ungemein, während es rhetorisch immer äußerst ungünstig ist, wenn man EIN schwieriges Problem mit der Lösung eines anderen oder gar weiterer schwieriger Probleme verknüpfen muß. Das wird dann schnell eine Art argumentatives Kartenhäuschenbauen, bei dem es Kritiker sehr leicht haben, einen nicht ernst zu nehmen.

Überbevölkerung ist gewissermassen eine Drohung, die zu jedem historischen Zeitpunkt und immer wieder neu auftreten kann, wenn die Menschheit die zugrundeliegenden Zusammenhänge nicht erkennt und sich bewußt darauf einstellt. Es ist nichts, was ein für allemal gelöst werden könnte. Daher würde ich auch die aktuelle Bedrohung durch die immer noch ansteigende Zahl der Weltbevölkerung von einer möglichen künftigen in fernerer Zukunft unterscheiden, bei der vielleicht einmal tatsächlich der kollektive Aufbruch ins All als Lösungsweg beschritten wird. Der gegenwärtige massive Bevölkerungsanstieg muß dagegen innerhalb der nächsten ein bis zwei Generationen überwunden oder mindestens entscheidend abgebremst werden, und auch wenn es schon Anzeichen zu einer Trendwende gibt, garantiert nur unser kollektives und entschiedenes Handeln, dass es sich tatsächlich zum besseren wendet. Diese Zeitspanne ist aber beim gegenwärtigen Stand der Technik plus dem fehlenden politischen und öffentlichen Willen für die Weltraumoption zu kurz.

Es kommt ein generelles und zeitlich verschärfendes Phänomen hinzu, dass bestimmte Großinvestitionen, wie es der kollektive Aufbruch in den Weltraum ganz gewiss darstellt, einen grossen Überschuss an Innovation, Motivation, Aufbruchstimmung, Kapital, materiellen Ressourcen u.ä. verlangt, der gerade in zugespitzten Krisenzeiten nicht mehr vorhanden ist oder für kurzfristige Kriseninterventionen aufgebraucht wird. Bestimmte Lösungsoptionen sind daher paradoxerweise nur möglich, wenn man sie noch gar nicht richtig braucht, d.h. wenn man bestimmte Bedrohungen korrekt antizipiert, was immer problematisch ist. ('Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.' Mark Twain)

Für die tieferen Zusammenhänge empfehle ich das Brettspiel 'Ökolopoly', das von dem großen Verfechter des systemischen Denkens Frederic Vester herausgegeben wurde und das die systemischen und nicht-linearen Wechselwirkungen verschiedener Bereiche der Gesellschaft unter dem zentralen Gesichtspunkt der ökologischen Nachhaltigkeit veranschaulicht. (Seit einigen Jahren auch als Computerspiel unter dem Namen 'Ecopolicy' erhältlich.) Genaugenommen handelt es sich dabei nur um die vereinfachte und spielerische Variante echter Computersimulationsmodelle aus einschlägigen wissenschaftlichen Diskussionen, die einen vertieften Eindruck in die Logik systemischen Denkens vermitteln soll. Das ist generell sehr lehrreich, weil wir von Natur aus bzw. intuitiv zu dramatisch falschen linearen Hochrechnungen aller möglichen Entwicklungsdynamiken neigen, und liesse sich auch auf viele andere Bereiche, in denen systemische Wechselwirkungen und resultierende Komplexitätsphänomene eine entscheidende Rolle spielen, übertragen, so z.B. gerade auch auf den Bereich von Gesundheit, Langlebigkeit und Prävention oder auch die Felder genetischer Regulationsmechanismen etc.

In unserem Zusammenhang kann man dagegen erst mal sehr gut studieren, welche unvorhergesehenen Rückwirkungen enstehen und in welche Entscheidungszwänge und Sackgassen man gerät, wenn z.B. die Bevölkerungszahl außer Kontrolle gerät und die ganze Gesellschaft zu kollabieren droht. Der Handlungsspielraum geht dann ganz schnell gegen Null, und neue Großinvestitionen sind nicht mehr möglich. Das Schöne bei so einem Spiel besteht natürlich darin, dass man noch mal von vorne anfangen kann, die existentiellen Konsequenzen bei einem Scheitern in der Realität brauche ich dagegen nicht weiter auszuführen. (Sehr interessant war, glaube ich, auch der spezifische Zusammenhang von Bevölkerung und Bildung, weil z.B. eine große aber hochgebildete Bevölkerung natürlich produktiver ist und mit vielen Belastungen besser umgehen kann, als eine kleinere aber ungebildete usw.)

Gruss aus Berlin
Lothar

#19 karl_bednarik

  • Guest
  • 436 posts
  • 105
  • Location:Wien, Oesterreich (Vienna, Austria)

Posted 11 August 2005 - 08:51 AM

Hallo Lothar,
eine behutsame Rückfrage:

Ich kann Dich gut verstehen, aber sollen wir alle unsere Aeusserungen durch den Filter laufen lassen, dass diese Aeusserungen eventuell unserer missionarischen Aufgabe fuer die Langlebigkeit zu werben zuwider laufen koennten?

Ich persoenlich sage nein dazu, denn ein freier Geist aeussert auch frei seine Gedanken.

Mit freundlichen Gruessen,
Karl Bednarik.

#20 Lothar

  • Guest
  • 221 posts
  • 23
  • Location:Berlin/Germany

Posted 12 August 2005 - 05:22 AM

Hallo Karl,

das kann jeder halten, wie er will, und insbesondere ein echter Freigeist wird andere sowieso nicht erst um Erlaubnis fragen, wenn er offen und frei seine Gedanken äussern will. Aber warum ohne Not ein gutes Argument mit einem schlechteren oder nachgeordneten verwässern? Ich spekuliere ja auch gerne einmal über die Zukunft der Weltraumfahrt usw., aber im Zusammenhang von Langlebigkeit, Kinderwunsch und Überbevölkerung ist es prinzipiell nicht nötig, das hattest gerade du doch im Kern so schön herausgearbeitet.

Gruss
Lothar

#21 Matthias

  • Topic Starter
  • Guest
  • 851 posts
  • 289
  • Location:.

Posted 15 November 2005 - 06:25 PM

Das Wachstum von Populationen nicht-sterbender Menschen in Abhängigkeit eines Vermehrungsfaktors läßt sich mit der Geometrischen_Reihe beschreiben. Im folgenden wird als Basis für die Überlegungen ein theoretischer, idealer Verlauf zugrunde gelegt. Für die Praxis muß das Modell um eine dezimierende Komponente für den Tod durch Unfall und Gewalt und um eine erhöhende Komponente für Abweichungen vom Vermehrungsfaktor bedingt durch eine extrem verlängerte Fähigkeit zur Vermehrung erweitert werden.

1.) Entwurfsrechnung zur Modellbildung:

Startpopulation s = 100
Vermehrungsfaktor q = 0,8 pro Person (= 1,6 Kinder je Familie)
Generation 0..n
Posted Image

2.) Rekurrenzgleichung:

T(n) = | s | n=0
| T(n-1)+s*q^n | n>0
3.) geschlossene Form:

Über Formale_Potenzreihen als Erzeugende_Funktionen kann man nun aus iterativen oder rekursiven Darstellungsformen eine geschlossene Form berechnen.
Lösungen für einfache Standardsummenformeln findet man aber auch in Lösungs-Tabellen.
Eine Lösung für eine geschlossene Form in unserem Fall, der Geometrischen_Reihe g(n), ist :

g(n) = (s * (1-q^(n+1))) / (1-q)

Posted Image Posted Image

Mit diesen beiden Darstellungen kann man nun folgende Fälle ableiten und einige Eigenschaften erkennen:

Fall A) Den exponentiellen Charakter entfaltet diese Reihe für q > 1

Fall B) Der in den reellen Zahlen für die geschlossene Form undefinierte Wert für g(n) bei q = 1 liefert ein lineares Wachstum

Fall C) Für q < 1 konvergiert die Reihe gegen die konstante Asymptote s * 1/(1-q)

Posted Image

In unserem Fall bedeutet dies eine maximale Ausdehnung der Bevölkerungszahl auf das fünffache unter der Annahme, daß die durchschnittliche Zahl der Kinder aller Familien nicht-sterbender Menschen in Zukunft 1,6 beträgt.

100 * 1/(1-0,8) = 500

Im folgenden wird dies grafisch veranschaulicht:

Edited by Matthias, 16 March 2006 - 02:30 AM.


#22 caliban

  • Admin, Advisor, Director
  • 9,152 posts
  • 587
  • Location:UK

Posted 16 November 2005 - 01:08 PM

(wartet gespannt)

#23 Matthias

  • Topic Starter
  • Guest
  • 851 posts
  • 289
  • Location:.

Posted 16 November 2005 - 05:10 PM

Fall A (q>1):

Posted Image

Grafik 1
Startwert s = 100, Vermehrung q = 1.5, Lebenserwartung g = unbegrenzt

Für die Generationen 0 bis 19 sind der Zuwachs grün und die Gesamtbevölkerungszahl blau dargestellt.

Bei einem Startwert s=100 und einem Vermehrungsfaktor von zum Beispiel q=1.5 ergibt sich die typische exponentielle Kurve, an die die meisten Menschen spontan im Zusammenhang mit dem Thema Bevölkerungsentwicklung denken.

(Durch die Skalierung bedingt könnte in dieser Grafik der Eindruck entstehen, daß es innerhalb der ersten acht Generationen kaum zu einer relevanten Veränderung kommt. Dieser Fehlinterpretation möge die folgende Grafik entgegenwirken)

Edited by Matthias, 16 March 2006 - 02:30 AM.


#24 Matthias

  • Topic Starter
  • Guest
  • 851 posts
  • 289
  • Location:.

Posted 16 November 2005 - 05:15 PM

Fall A (q>1): (Ausschnittsvergrößerung)

Posted Image

Grafik 2
Startwert s = 100, Vermehrung q = 1.5, Lebenserwartung g = unbegrenzt

Ausschnittsvergrößerung aus Grafik 1 mit einer feineren Skalierung; ebenfalls Startwert s=100 und Vermehrungsfaktor q=1.5. Die Balken für die Werte ab der zehnten Generation wurden zugunsten der Darstellbarkeit abgeschnitten.

Edited by Matthias, 16 March 2006 - 02:30 AM.


#25 Matthias

  • Topic Starter
  • Guest
  • 851 posts
  • 289
  • Location:.

Posted 16 November 2005 - 05:19 PM

Fall B (q=1):

Posted Image

Grafik 3
Startwert s = 100, Vermehrung q = 1, Lebenserwartung g = unbegrenzt

Bei einem Vermehrungsfaktor q = 1 ergibt sich ein lineares Wachstum.

Edited by Matthias, 16 March 2006 - 02:30 AM.


#26 Matthias

  • Topic Starter
  • Guest
  • 851 posts
  • 289
  • Location:.

Posted 16 November 2005 - 05:22 PM

Fall C (q<1):

Posted Image

Grafik 4
Startwert s = 100, Vermehrung q = 0.8, Lebenserwartung g = unbegrenzt

Bei einem Vermehrungsfaktor q=0.8 und dem Startwert s=100 ergibt sich ein Grenzwert bei 500.
Die Bevölkerungsanzahl steigt also auf das fünffache an und dehnt sich danach nicht weiter aus.

Die theoretische Möglichkeit, daß Populationen nicht-sterbender Menschen, bei denen alle sich sogar zumindest einmal in ihrem Leben ihren Kinderwunsch von ein bis zwei Kindern erfüllen können, nicht zu einer Bevölkerungsexplosion führen, ist z.Zt. zu wenig bekannt.

Edited by Matthias, 16 March 2006 - 02:31 AM.


#27 John Schloendorn

  • Guest, Advisor, Guardian
  • 2,542 posts
  • 157
  • Location:Mountain View, CA

Posted 17 November 2005 - 03:25 AM

Wow Matthias, das ist aber huebsch geworden. Hier schicke ich bestimmt oefters mal interessierte Leute vorbei!

#28 Lothar

  • Guest
  • 221 posts
  • 23
  • Location:Berlin/Germany

Posted 17 November 2005 - 11:09 AM

Die theoretische Möglichkeit, daß (...) nicht zu einer Bevölkerungsexplosion führen, ist z.Zt. zu wenig bekannt. 


Das kannst du aber laut sagen! Genau so ist es (und eher noch untertrieben).

#29 Matthias

  • Topic Starter
  • Guest
  • 851 posts
  • 289
  • Location:.

Posted 01 December 2005 - 05:25 AM

drum noch ein Nachtrag zur Situation heute:

Da dieses Modell ja in diskreten Generationsschritten rechnet, kann man keine feine, nach Jahren aufgelöste Dichtefunktion benutzen, um nun die Lebenserwartung von sterblichen Menschen hineinzumodellieren. Der Übersichtlichkeit wegen wird im folgenden zunächst angenommen, daß ein Mensch g Generationen lang lebt und dann stirbt.

Die Anzahl der in der Generation n sterbenden Menschen wird nun als ein schwarzer Balken dargestellt.
Bei angenommener fester Lebenszeit von g Generationen hat dieser also stets die Länge des grünen Balkens vor g Generationen, denn der grüne Balken steht hier wieder für die Geburten in der Generation n. Die Gesamtbevölkerungszahl (blauer Balken) von n ergibt sich nun also aus:

T(n) = | s | n=0
| T(n-1)+s*q^n | 0<n<g
| T(n-1)+s* (q^n - q^(n-g)) | n>=g
bzw. in Summendarstellung:
Posted Image

Edited by Matthias, 25 July 2006 - 09:25 AM.


#30 Matthias

  • Topic Starter
  • Guest
  • 851 posts
  • 289
  • Location:.

Posted 01 December 2005 - 05:45 AM

Fall A (q>1): (Ausschnittsvergrößerung)
Posted Image
Grafik 5
Startwert s = 100, Vermehrung q = 2, Lebenserwartung g = 3

Der Funktionstyp, also die Größenordnung des Wachstums im Fall q>1 hängt nicht davon ab, ob eine begrenzte oder eine unbegrenzte Lebenserwartung zugrundegelegt wird; das Wachstum ist in beiden Varianten des Falles q>1 (aber eben NUR im Fall q>1) exponentiell steigend, weil die Anzahl der Kinder pro Paar mehr als zwei beträgt.

Schon kleine Veränderungen von q haben große Auswirkungen auf das Verhältnis "Junge Menschen / Alte Menschenn" bzw. "Neugeborene / Verstorbene" in den Folgegenerationen:

In der Grafik 5 (mit Startwert s = 100, Vermehrungsfakor q = 2 (also vier Kinder pro Paar), begrenzte Lebenserwartung g = 3) bildet sich bereits ein stärkeres exponentielles Wachstum aus als in der Grafik 2 (mit Startwert s = 100, Vermehrungsfaktor q = 1.5 (also drei Kinder pro Paar), Lebenserwartung = unendlich).

Der Vermehrungsfaktor q bestimmt die Größenordnung des Bevölkerungswachstums. Sein Einfluß ist wesentlich stärker als der Einfluß der Lebenserwartung g, und zwar sogar dann, wenn man eine unendliche Lebenserwartung annimmt.

Edited by Matthias, 25 July 2006 - 10:24 AM.





1 user(s) are reading this topic

0 members, 1 guests, 0 anonymous users