Vorbemerkung: Dieser Strang hier leitet sich aus einer off-topic-Diskussion im Thread 'Mutationen in der mitochondrialen DNA, Artikel' ab, in dem es anhand der Entdeckung eines vermeintlichen Schlüsselfaktors des Alterns auch um allgemeinere Einschätzungen der Perspektiven des Immortalismus ging:
http://www.imminst.o...&f=80&t=7221&s=
@ A 941: Atheismus als bewußte Leugnung der Existenz Gottes ist eine logisch und philosophisch unhaltbare Position, wie Bertrand Russell in seinem berühmten Klassiker 'Warum ich kein Christ bin' schon vor vielen Jahrzehnten dargelegt hat. Für einen rationalistisch denkenden Menschen bleibt daher nur die Position des Agnostizismus übrig, der eine indifferentere oder neutralere Haltung zum Ausdruck bringt. (Habe übrigens gerade vor ein paar Wochen erst in Canettis Buch 'Party im Blitz' über eine Begegnung zwischen Russell und Canetti gelesen.) Man kann Religion aber auch nicht auf die Gottesidee reduzieren, die in dieser Sonderstellung vor allem im jüdisch-christlich-islamischen Kulturkreis vorherrscht, während beispielsweise die buddhistische aber auch die taoistische Tradition ohne Gottesvorstellung auskommt, genausowenig auf das Konzept des bedingungslosen Glaubens, da gerade buddhistische aber auch andere spirituelle Richtungen der verschiedensten Art den Hauptakzent auf das Wissen über innere Zustände, auf die Erfahrung bzw. die gezielte Lenkung von Erfahrungszuständen in einer meditativen Praxis legen.
Atheismus als Leugnung Gottes zielt genaugenommen immer nur auf die Kritik an einem bestimmten GottesBILD, vor allem an der Vorstellung eines personal gedachten Überwesens. Definiert man 'Gott' aber anders, als es kirchliche Hierarchien und autoritäre Dogmen ihren Anhängern vorschreiben wollen und wie es für viele andere religiöse Richtungen und selbst für manche moderne christlichen Theologen selbstverständlich ist, z.B. als 'höchste Wahrheit', 'die Summe allen Seins' (inclusive der Naturgesetze), als Erfahrung des Heiligen und Numinosen, 'den Zustand ewiger Glückseligkeit', der man in der Erfahrung von 'Erleuchtung' teilhaftig werden kann, als 'Tao', als 'Symbol für Liebe, Wahrheit und Gerechtigkeit' (Erich Fromm) oder eben als Unsterblichkeitssymbol, wüßte ich nicht, wieso man als Immortalist 'Gott' leugnen sollte!? Das wäre ja existentieller Masochismus.
Natürlich kannst du den ein oder anderen Atheisten für die Sache des Immortalismus gewinnen, aber meiner Meinung nach ist es psychologisch kein Zufall, daß aggressive Atheisten in der Regel strikte Todesanhänger sind, da ihre Haltung sich meist in einem bloßen Dagegensein erschöpft. Das hat fast immer biographische Hintergründe (z.B. Vater- oder Autoritätskomplex), aber auch kulturelle, weil es letztlich vor allem vom Ausmaß der Dominanz traditioneller Gottesbilder abhängt, die natürlich in den USA ungleich größer ist als in (West-)Europa. Das führt vor allem dazu, dass radikale Atheisten gerade im tiefsten und letzten niemals zu irgendeiner positiven Ausrichtung fähig sind, welcher auch immer, und Todesakzeptanz heißt für solche Menschen indirekt dann stets: die autoritäre Instanz, die meine Freiheit beschneidet, muß sterben. Unsterblichkeit übersetzen sie dementsprechend mit einer ewigen Fortdauer ihrer Unterdrücker, so daß ihre Ablehnung völlig folgerichtig und in sich konsequent ist (wenngleich es natürlich auf einer falschen Verallgemeinerung weil unreflektierten Vermischung der religiösen mit der psychologischen Ebene beruht). Steht aber alles sinngemäß schon längst in Canettis 'Masse und Macht', wenn ich mich recht entsinne.